Sprache: "Servus" und "Pfiati" vertschüssen sich

(c) Petra Winkler
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Eine Studie bestätigt, was man jeden Tag auf der Straße hört: Das österreichische Deutsch schwindet. Es gibt aber auch dominante Austriazismen.

"Tschüss" statt "Servus" oder "Pfiati", "die" statt "das Cola" bzw. "die" statt "das E-Mail". In einem Forschungsprojekt konstatieren der Linguist Rudolf de Cillia von der Uni Wien und seine Mitarbeiterinnen Jutta Ransmayr und Elisabeth Fink einen "altersspezifischen Sprachwandel": Die jüngere Generation tendiert stärker zu sogenannten "Deutschlandismen".

Die Ergebnisse sind eine Art "Nebenprodukt" einer nun abgeschlossenen Studie zur Rolle des österreichischen Standarddeutsch (das, was früher "Hochdeutsch" genannt wurde) an österreichischen Schulen. Insgesamt füllten dafür mehr als 1250 Schüler zwischen 14 und 18 Jahren sowie rund 160 Lehrer aller Schularten Fragebögen aus - natürlich aus allen Bundesländern. Mit 21 Lehrern wurden noch Interviews geführt. Außerdem nahmen die Forscher in sieben Schulklassen als Beobachter am Unterricht teil.

69 Prozent der Schüler sagen "Junge"

Unter anderem gaben die Sprachwissenschafter den Schülern und Lehrern 30 Beispielsätze vor, die Wahlmöglichkeiten zwischen je zwei Varianten (entweder Austriazismen oder Deutschlandismen) enthielten. So hatten die Teilnehmer etwa die Wahl zwischen "der Junge" oder "der Bub", "in die Schule gehen" oder "zur Schule gehen", "einem Einser" oder "eine Eins","Schweinsbraten" oder "Schweinebraten" bzw. "schmeckt sehr gut" oder "ist sehr lecker". Ergebnis: 61 Prozent der Lehrer, aber nur 46 Prozent der Schüler bevorzugten dabei die Austriazismen.

91 Prozent der Schüler und 60 Prozent der Lehrer entschieden sich für "die" SMS, 79 Prozent der Schüler und 57 Prozent der Lehrer drückten einen "Pickel" statt eines "Wimmerls" aus, 82 Prozent der Schüler und 43 Prozent der Lehrer schrieben "eine" E-Mail, 69 Prozent der Schüler und 35 Prozent der Lehrer gaben dem "Jungen" den Vorzug gegenüber dem "Bub", 53 Prozent der Schüler und 22 Prozent der Lehrer schlürften "die" Cola.

Jänner bleibt: dominante Austriazismen

Es gibt aber auch durchaus dominante Austriazismen: Umgekehrt ließen 97 Prozent der Lehrer und 89 Prozent der Schüler das Jahr mit dem "Jänner" (statt Januar) beginnen, die gleichen Prozentsätze gaben "bin gestanden" den Vorzug gegenüber "habe gestanden". "Schweinsbraten" statt "Schweinebraten" wollten 84 Prozent der Lehrer und 82 Prozent der Schüler verzehren, 96 Prozent der Lehrer und 82 Prozent der Schüler wählten den gemeindeutschen Ausdruck "schmeckt sehr gut" gegenüber "ist sehr lecker".

In einer eigenen Frage erhoben die Forscher außerdem, mit welcher Grußformel sich die Probanden verabschieden würden (Mehrfachnennungen möglich). Zur Auswahl standen dabei "Tschüss", "Baba", "Pfiati", "Ciao" und "Servus". Ergebnis: 79 Prozent der Schüler nannten "Tschüss", 32 Prozent "Ciao", 22 Prozent "Servus" und je zehn Prozent "Baba" und "Pfiati". Bei den Lehrern kam "Tschüss" auf 60 Prozent, "Servus" immerhin noch auf 50 Prozent, "Pfiati" auf 31 Prozent, "Ciao" auf 23 und "Baba" auf 22 Prozent. Gefördert wurde das Forschungsprojekt übrigens vom Wissenschaftsfonds FWF.

Deutsche TV-Kanäle fördern deutsches Deutsch

Je jünger die Probanden, desto eher zeigte sich eine Tendenz zu Deutschlandismen. Das galt auch für die Gruppe der Lehrer. Konstruierte man aus den Befragungs-Daten zwei "Generationen" (bis 21 Jahre bzw. ab 41 Jahre unter Außerachtlassung der Gruppe dazwischen), wurde das Ergebnis noch deutlicher: 64 Prozent der älteren, aber nur 46 Prozent der jüngeren Generation - also weniger als die Hälfte - wählte durchschnittlich die Austriazismen.

Grund für die stärkere Verbreitung der Deutschlandismen dürfte das Medienverhalten sein, vermutete de Cillia. Die Forscher erhoben nämlich auch den TV-Konsum. Dabei zeigte sich, dass jene Schüler, die angaben, nur deutsche Kanäle zu sehen, signifikant öfter Deutschlandismen verwendeten als jene, die nur österreichische Sender einschalteten bzw. Programme aus beiden Staaten ansahen.

(APA)

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