Österreichisches Deutsch in Schule kaum Thema

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Pädagogen sollten Austriazismen und Deutschlandismen als gleichwertig anerkennen, sagt der Linguist Rudolf de Cillia.

Das österreichische Deutsch ist sowohl in der Lehrer-Ausbildung als auch in Lehrplänen und Schulbüchern kaum ein Thema. Zu diesem Befund kommt der Linguist Rudolf de Cillia (Uni Wien) in einem Forschungsprojekt. Auch das Konzept von Deutsch als plurizentrischer Sprache mit den gleichwertigen Formen "österreichisches Deutsch", "deutsches Deutsch" und "Schweizer Standarddeutsch" ist kaum bekannt.

"Das Konzept von Deutsch als plurizentrischer Sprache ist nur rund 15 Prozent der Lehrpersonen bekannt", so de Cillia. "Es kommt auch weder in der Aus- noch in der Fortbildung oder in Standardbüchern vor." Man könne dieses Konzept natürlich ablehnen. "Aber man sollte sich damit auseinandersetzen und es diskutieren." Das österreichische Deutsch spiele im Muttersprachenunterricht kaum eine Rolle.

Ist deutsches Deutsch korrekter für Lehrer?

Insgesamt gibt es eine etwas widersprüchliche Einstellung zur eigenen Sprachvarietät: Bei der Befragung testeten die Forscher auch die Ansichten über die "Korrektheit" des österreichischen Deutsch ab, 86 Prozent der Lehrer und 68 Prozent der Schüler gaben dabei "politisch korrekt" an, dass "das Standarddeutsch, das in Österreich verwendet wird, genauso korrekt ist wie das in Deutschland". Bei einer weiter unten im Fragebogen gestellten Kontrollfrage, die in den Kontext eines Vergleichs mit britischem/amerikanischem Englisch bzw. Französisch in Frankreich oder der Schweiz eingebettet war, lehnten nur mehr 44 Prozent der Lehrer und 32 Prozent der Schüler die umgekehrt formulierte Aussage "Deutsches Deutsch ist korrekter als österreichisches Deutsch" dezidiert ab.

Unbewusst geht die überwiegende Mehrzahl der Lehrer und der Schüler wiederum durchaus vom plurizentrischen Konzept aus: Dass Deutsch eine Sprache mit systematischen Unterschieden in der Standardsprache zwischen den einzelnen Ländern ist, glauben 90 Prozent der Lehrer und 80 Prozent der Schüler.

De Cillia schlägt vor, das Thema in der Schule stärker zu behandeln. "Varietätentoleranz könnte ein wichtiges Unterrichtsziel sein. Das gilt auch für den Englisch- und Französischunterricht. Es gibt unterschiedliche Varietäten von Hochsprachen, die eben gleichwertig sind. Dabei geht es auch darum, die anderen Varietäten nicht abzulehnen."

Deutsche sind die größte Migrantengruppe

Das gelte gerade angesichts des Umstands, dass mittlerweile die Deutschen die größte Migrantengruppe in Österreich stellen. "Die sprechen hier natürlich die Varietät, die sie von daheim mitbringen", so de Cillia. "Das ist zu akzeptieren, aber auch zu thematisieren."

Für die Lehrer bedeute das, die verschiedenen Varianten als gleichwertig und richtig anzuerkennen. "Wenn ein Schüler völlig inkonsistent einmal Austriazismen und einmal Deutschlandismen verwendet, sollte das angesprochen werden. Wenn es für den Schüler aber OK ist, ist auch das als richtig zu werten."

Als Extrembeispiel des falschen Zugangs schilderte de Cillia die Geschichte des Ehemanns einer Kollegin, der zum Nachweis des A1-Niveaus in Deutsch in Australien eine Prüfung beim (von Deutschland getragenen) Goethe-Institut ablegen musste. Dort sei ihm beschieden worden: "Bei uns gibt es nur das richtige Deutsch. 'Marille' und 'heuer' gilt hier nicht."

Vorgehensweise

Für sein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes Projekt befragten de Cillia sowie seine Mitarbeiterinnen Jutta Ransmayr und Elisabeth Fink mehr als 1250 Schüler der Sekundarstufe II sowie rund 160 Lehrer aller Schularten aus allen Bundesländern mit Fragebögen, analysierten Lehr- und Studienpläne bzw. Deutschlehrbücher und führten Interviews mit 21 Lehrern.

Außerdem nahmen sie in sieben Schulklassen als Beobachter am Unterricht teil und organisierten je eine Gruppendiskussion mit Lehrern und Schülern.

(APA)

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