Kindergarten-Förderaffäre: Wie gefälscht wurde

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Kindergarten(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Private Kindergartenvereine sollen in Wien einen Millionenschaden verursacht haben. Der Hauptbeschuldigte weist jede Schuld von sich.

Wien. In der Affäre um mutmaßlich erschlichene Fördergelder für Privatkindergärten wird immer deutlicher, dass Kontrollmechanismen der Stadt Wien versagten. „Presse“-Recherchen zeigen, wie einfach es war, Finanzamtsbestätigungen zu fälschen – Bestätigungen, die man der Magistratsabteilung (MA) 10 (Kindergärten) vorlegen musste, um Fördergeld zu bekommen.

Zudem geht aus einem Brief einer Beschuldigten hervor, dass es „bei Einreichung“ von Unterlagen „keine Prüfung“ in Bezug auf mögliche Fälschungen gegeben habe. Indes weist der Hauptverdächtige jede Schuld von sich. Sein Anwalt Bernd Oberhofer spricht von einem „Missverständnis“.

Der Reihe nach: Wie berichtet dreht sich die Affäre um mehrere Wiener Privatkindergärten. Diese (vorwiegend in der türkischen Community angesiedelt) sollen zum Teil als Vehikel zur Erschleichung von Fördergeldern gedient haben. Entscheidend war das Vertragsverhältnis der Vereinsobleute mit dem nunmehrigen Hauptverdächtigen Abdullah P. (31). P. ist Gründer eines Zentrums für Erwachsenenbildung (Erbiz) und eines Kindergartenvereins (Kibiz).

Millionenschaden

Direkt geschädigt fühlen sich – abgesehen von Steuerzahlern – die MA 10 und die MA 11 (Jugendamt). In einer 13-seitigen Strafanzeige der MA 10 vom 20. Mai 2015 heißt es, „dass der Gesamtschaden sehr wahrscheinlich im siebenstelligen Eurobereich liegt.“

Die Staatsanwaltschaft Wien führt ein Ermittlungsverfahren (26 St 211/14g) gegen P. und ein halbes Dutzend weitere Beschuldigte. Derzeit ist ein Gutachter (Wirtschaftsprüfer) damit beschäftigt, die Vorwürfe zu untersuchen. Diese reichen von gewerbsmäßigem Betrug bis zu Förderungsmissbrauch. Freilich gilt die Unschuldsvermutung.

Zurück zu P.: Der ausgebildete „Integrationscoach“ mit türkischen Wurzeln war nicht nur in eigenen Vereinen tätig, sondern schloss als Berater Verträge mit Personen ab, die vorhatten, private – städtisch geförderte – Kindergärten zu betreiben. Angemerkt sei, dass 60 Prozent der Kindergartenplätze der Stadt Wien privater Natur sind. Dafür, dass P. bei Amtswegen etc. half, ließ er sich entlohnen. In einem Fall waren sogar um die 40.000 Euro zu bezahlen. Diese Kooperation funktionierte so lange, bis aufflog, dass Finanzamtsbestätigungen zur Gemeinnützigkeit von Kindergartenvereinen zum Teil gefälscht waren. Solche Bestätigungen wurden vorgelegt, um Fördergeld zu kassieren.

Der „Presse“ vorliegende Akten zeigen, dass es einfach war, Fälschungen herzustellen. Das Finanzamt gab jeweils nur eine „unverbindliche, nicht rechtsmittelfähige Stellungnahme“ ab. Sie lautete: „Die vorgelegten Statuten entsprechen grundsätzlich den Gemeinnützigkeitsbestimmungen der Bundesabgabenordnung [. . .].“ Diese paar Zeilen wurden schließlich von bis heute unbekannten Tätern selbst geschrieben bzw. wurden schon vorliegende (richtige) Bestätigungen quasi kopiert. P. nennt per Stellungnahme an MA 10 und MA 11 vom 28. August 2015 einen ehemaligen Mitarbeiter als möglichen Fälscher. Jene Vereine, die er, P., beraten habe, seien völlig schuldlos.

Wertvolle Zeit ging verloren

Eine nunmehrige Mitbeschuldigte, K., verfasste am 30. August 2015 ein selbstbewusstes Schreiben an die MA 10. Darin wendet sie sich gegen Kündigungen von Fördervereinbarungen mit Vereinen, die gefälschte Bestätigungen vorwiesen. An die Adresse der MA 10 gerichtet heißt es: „Auch ihre Mitarbeiterin (Name der Red. bekannt) gab auf Nachfrage an, dass sie bei Einreichung der Unterlagen keine Prüfung durchgeführt hatte, da auch sie keine [. . .] Veranlassung gehabt hätte, eine Fälschung zu vermuten [. . .].“

Schon klar: Was Frau K. damals schrieb, muss nicht stimmen. Aber es fällt auf, dass es einige Zeit dauerte, bis die Sache mit den Fälschungen entdeckt wurde. So hatte laut polizeilichem Amtsvermerk vom 1. September 2015 beispielsweise die Kindergartengruppe D. schon am 9. September 2013 ihren Beratervertrag mit Erbiz geschlossen. Was folgte, war das Fälschen der erwähnten Bestätigung. Diese langte laut Amtsvermerk am 10. August 2014 bei der MA 10 ein. Dann verging wertvolle Zeit. Aus dem Amtsvermerk: „Nach Rücksprache mit der MA 10 (Ansprechperson der Red. bekannt) wurde der Vorfall am 20. Mai 2015 bemerkt [. . .].“ Dann erst wurde Anzeige erstattet. Und die Gelder wurden gestoppt.

Anwalt Oberhofer erklärt namens des Mandanten P.: „Es liegt ein Missverständnis vor.“ P. sei zwar als Berater vieler Menschen mit Migrationshintergrund tätig gewesen. Man spreche insofern nun von einem Netzwerk. Oberhofer: „Natürlich hat P. ein Netzwerk. Das ist aber kein mafioses Netzwerk.“ In Sachen Fälschungen sagt er: „Es kann passiert sein, dass jemand etwas falsch gemacht hat. Aber davon weiß mein Mandant nichts.“

AUF EINEN BLICK

Kindergärten im Umfeld der türkischen Community sollen teilweise Bestätigungen gefälscht haben, um Förderungen der Stadt Wien zu erhalten. Diese spricht mittlerweile von einem Schaden in Millionenhöhe. Dabei hat die Stadt bei der Kontrolle der Verwendung der Mittel offenbar versagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2016)

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