Aus für Noten: ÖVP „irritiert“

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Bis zur dritten Klasse sollen Volksschulkinder laut Bildungsministerium nur verbal beurteilt werden. Auch Durchfallen soll es in den ersten drei Jahren nicht geben. Die ÖVP ist irritiert.

Wien. Immer noch wird über eine niederösterreichische Volksschule diskutiert, in der im vergangenen Schuljahr gleich mehrere Schüler einer Klasse durchgefallen sind. Wenn es nach dem Bildungsressort geht, soll sich diese Frage künftig gar nicht mehr stellen: In der Volksschule soll bis zur vierten Klasse keiner sitzen bleiben müssen, wie das ORF-Radio berichtete. Derzeit fallen jedes Jahr rund 1600 Kinder an den Volksschulen durch – das sind etwa 0,5 Prozent der Schüler.

„Moderne Pädagogik darf ein Wiederholen von Schulstufen in diesem Altersbereich nicht zulassen“, heißt es in dem Entwurf des Ministeriums, mit dem Teile der Bildungsreform umgesetzt werden sollen und der der „Presse“ vorliegt. In Ausnahmefällen sei es möglich, dass Kinder freiwillig eine Schulstufe wiederholen – was aber „äußerst restriktiv“ zu handhaben sei. Dass die Volksschüler in den ersten drei Schuljahren de facto nicht mehr sitzen bleiben, ist aber nicht alles: Laut dem Entwurf sollen Ziffernnoten bis inklusive der dritten Klasse komplett abgeschafft werden. Schüler sollen nur noch verbal beurteilt werden. In regelmäßigen Gesprächen sollen Eltern über die Lernfortschritte informiert werden. Am Ende jedes Semesters soll es eine schriftliche Beurteilung geben.

Autonom oder für alle?

Ganz neu ist das nicht: Schule ohne Ziffernnoten wird an vielen Volksschulen schon praktiziert. Das Bildungsressort spricht von mehr als 2000 Schulversuchen über alternative Formen der Leistungsbeurteilungen – von der verbalen Beurteilung über das sogenannte Pensenbuch bis zum Lernzielkatalog nach Montessori. Darauf, Beurteilungen jenseits der Ziffern von eins bis fünf zu erleichtern, hat sich die Regierung schon länger geeinigt. Eigentlich sollte schon vergangenen Sommer fix sein, dass dafür kein Schulversuch mehr nötig sein soll. Letztlich fand dies Eingang in das Papier über die Bildungsreform, das Mitte November präsentiert wurde.

Dennoch wird das Papier, über das nun mit den ÖVP-Verhandlern gesprochen wird, zu Diskussionen führen: darüber, ob künftig tatsächlich jede Volksschule alternativ beurteilen muss. Man habe sich mit dem Koalitionspartner darauf geeinigt, dass der Schulstandort autonom entscheide, ob es statt der Ziffernnote eine alternative Leistungsbeurteilung gibt, kritisierte ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank gestern. Sie sei irritiert, dass seitens des Bildungsministeriums „ständig Vereinbarungen über Bord geworfen“ würden. Im Entwurf heißt es: „Bis einschließlich der dritten Klasse der Volksschule und der Sonderschule soll ein umfassendes Informationssystem an die Stelle der Leistungsbeurteilung von Noten treten.“

Die neue Beurteilung ist auch das Argument für die Abschaffung des Sitzenbleibens: Es führe zu maximaler Individualisierung und ermögliche daher bessere individuelle Förderung, heißt es in dem Papier. Sogar wenn die Eltern Ziffernnoten verlangen – was wie bei den bisherigen Schulversuchen möglich sein soll – und das Kind einen Fünfer hat, darf es bis in die vierte Klasse aufsteigen. Ab der vierten Klasse gibt es dann wieder Noten. Auch Sitzenbleiben ist wieder möglich.

Verlängerte Sprachförderung?

Ebenfalls im Schulrechtspaket 2016 vorgesehen, wie der Entwurf heißt: Die Eltern sollen bei der Schuleinschreibung alle Unterlagen, Erhebungen und Förderergebnisse aus dem Kindergarten vorlegen. Änderungen soll es auch bei den ganztägigen Schulformen geben: Das Mittagessen soll dort „nicht mehr zwingender Bestandteil der ganztägigen Schulform“ sein. Denn das schränke die Möglichkeit der Eltern, selbst für Verpflegung zu sorgen, ein.

Empfohlen wird, dass die schulische Sprachförderung, die eigentlich nur noch bis Sommer vorgesehen ist, „auf unbestimmte Zeit gesetzlich verankert“ wird. Zudem sollen die Förderkurse nicht wie bisher nur in Pflichtschulen, sondern in allen Schularten (außer in den Berufsschulen) eingerichtet werden können. (beba/rovi/red.)

AUF EINEN BLICK

Schulrechtspaket. Laut dem Entwurf, den das Bildungsressort der ÖVP übermittelt hat, soll es in den ersten drei Volksschulklassen kein Sitzenbleiben mehr geben. Ziffernnoten sollen bis inklusive der dritten Klasse durch verbale Beurteilungen ersetzt werden. Ab der vierten Klasse soll es dann wieder Noten von eins bis fünf geben. Auch Sitzenbleiben ist dann wieder möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2016)

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