Südtirol: Wenn ein Direktor sechs Schulen leitet

 Volksschüler bei der Freiarbeit in der Grundschule Welsberg: Sie besuchen danach die Mittelschule, die – wie in Südtirol üblich – eine Gesamtschule ist.
Volksschüler bei der Freiarbeit in der Grundschule Welsberg: Sie besuchen danach die Mittelschule, die – wie in Südtirol üblich – eine Gesamtschule ist.(c) Bayrhammer
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Der Schulsprengel Welsberg bündelt fünf Grundschulen und eine Gesamtschule zu einer autonomen Einheit. Solche Mindestgrößen für Schulen wollen die Grünen auch für Österreich wieder diskutieren.

Welsberg. Josef Watschinger ist Direktor – aber er leitet nicht eine einzelne Schule, sondern fünf Grundschulen und eine Mittelschule. Knapp 550 Schüler besuchen den Schulsprengel Welsberg im Südtiroler Pustertal, knapp anderthalb Stunden von Bozen entfernt. 92 Lehrer unterrichten dort: in Welsberg, Taisten, Pichl, St. Martin und St. Magdalena. „Die Schulen sind als kleine Netzwerke organisiert“, sagt Watschinger. „Wir bündeln mehrere und machen daraus eine autonome Einheit.“ Er als Direktor steht einem gemeinsamen Lehrerkollegium für den ganzen Sprengel vor, an den einzelnen Standorten koordinieren sogenannte Schulstellenleiter die Tätigkeiten.

Der Schulsprengel, den der grüne Bildungssprecher Harald Walser gemeinsam mit seinen Kollegen aus mehreren Bundesländern vergangene Woche besucht hat, ist ein Beispiel dafür, wie Schulorganisation in Südtirol funktioniert: Die autonome Region hat Mindestgrößen vorgesehen: Mindestens 500 Schüler sollen zusammengefasst sein, maximal 900. Eine Idee, die es vor gut einem Jahr auch für Österreich gab. In einem Papier, in dem Experten ihre Vorschläge für die Schulverwaltungsreform skizzierten, war die Rede von mindestens 200 Schülern für Volks- und Hauptschulen und zumindest 400 ab 14 Jahren. Im aktuellen Papier für die Bildungsreform kommt dieser Vorschlag nicht mehr vor – wohl, weil das Gespenst der Schulschließungen für heftige Reaktionen sorgte. Dabei müssen solche Mindestgrößen nicht unbedingt ein Aus für Kleinschulen bedeuten, im Gegenteil. „Wir haben als Sprengel ein Profil, und jede einzelne Schule hat ihre eigenen Schwerpunkte: eine Art Mini-Leitbild“, erklärt Direktor Watschinger. Für seinen Sprengel bedeutet das, eher abstrakt formuliert: Generell will man die Schüler lebenstüchtig machen, durch systematisches Lernen und Freiarbeit. An der Grundschule Welsberg ist Bewegung zentral. Die Grundschule Taisten setzt speziell auf Individualisierung. Und der Fokus der Mittelschule Welsberg – wie in Südtirol üblich, eine Gesamtschule – liegt darauf, die Schüler zur Selbstständigkeit zu erziehen. Vier bis fünf Mal pro Jahr treffen sich alle 92 Pädagogen des Sprengels, um sich auszutauschen und Ideen zu entwickeln.

Von Kindergarten bis AHS

Bildungssprecher Walser würde solche Mindestgrößen gern wieder in die aktuelle Debatte um die Bildungsreform einbringen. „Was wir an den Kleinschulen bemängeln ist die pädagogische Qualität“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Wenn es nur wenige – oder, im Extremfall – nur eine Lehrerin oder einen Lehrer an einer Schule gebe, würden diese sehr im eigenen Saft schmoren. „Verbünde wie in Südtirol würden eine gemeinsame Philosophie ermöglichen, einen Lehreraustausch.“ Zentral sei aber, solche Verbünde – so, wie das ansatzweise in Welsberg der Fall ist – auch vertikal zu gestalten, also ein Netzwerk zu bilden aus Kindergarten, Volksschule, NMS und Gymnasien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2016)

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