Wiener Schulplätze werden knapp

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die inneren Wiener Bezirke werden in den nächsten Jahren einen Kinderboom erleben. Der Platz für Schulen ist im dicht verbauten Gebiet aber rar – werden die Kinder bald pendeln müssen?

Wien. Wien wächst – aufgrund von Zuwanderung, aber auch, weil es jedes Jahr wieder einen neuen Geburtenrekord gibt. Eine „Presse“-Analyse der Bevölkerungsstatistik ergibt, dass vor allem die Bezirke innerhalb des Gürtels in den nächsten Jahren zu den kinderreichsten werden. Prognosen zufolge werden der sechste, siebente und neunte Bezirk schon bis 2023 rund ein Drittel mehr Kinder im schulpflichtigen Alter haben als jetzt.

Die Josefstadt soll um 24 Prozent zulegen, Margareten wächst um 23 Prozent, die Landstraße um 22 Prozent und Rudolfsheim-Fünfhaus um 16 Prozent. Andere Bezirke wie Hietzing, Simmering und Döbling schrumpfen. Es werden also vor allem in den dicht verbauten Gebieten Schulplätze benötigt werden. Die Bezirksvorsteher der betroffenen Gebiete sehen diese Entwicklung mit einiger Sorge: „Wir brauchen im Bezirk dringend mehr Schulen, wir denken in alle Richtungen, ob man nicht etwa einen Teil des Amtsgebäudes umwandeln könnte“, sagt Josefstadt-Bezirksvorsteherin Veronika Mickel (ÖVP). Und: „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stadt einen Plan hat, wie wir das lösen sollen.“ Eine ihrer großen Hoffnungen ist noch immer das ehemalige Rechenzentrum in der Rathausstraße 1, das nun abgerissen und durch ein Bürogebäude ersetzt werden soll. „Wir brauchen nicht noch mehr leer stehende Büros, sondern Schulplätze“, sagt sie.

Ähnlich ist die Situation in Neubau. In rund sechs Jahren sollen hier rund 800 schulpflichtige Kinder mehr leben. „Es geht sich gerade noch aus, aber nicht mehr lang“, sagt etwa Neubau-Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne). Seine große Hoffnung ist in dieser Hinsicht das Sophienspital, das demnächst abgesiedelt wird. Blimlinger möchte dort eine Schule errichten – aber der rare Platz, der hier frei wird, ist die Hoffnung vieler – die Ideen für das Areal reichen vom Altersheim über Wohnbauten bis zu einer dauerhaften Flüchtlingsunterkunft.

Unkonventionelle Lösungen gesucht

Hinzu kommt noch das Problem, dass die frei werdenden Flächen oft nicht Bund oder Stadt gehören. Alsergrund-Bezirksvorsteherin Martina Malyar (SPÖ) hofft etwa auf frei werdende Flächen auf dem Gelände des Franz-Josefs-Bahnhofs – allerdings gehören diese nicht der Stadt, und Interessenten dafür gibt es viele. Sie will nun versuchen, über die Flächenwidmung zu sichern, dass hier nichts anderes als eine Schule entstehen kann. Auch „Presse“-Gespräche mit anderen Bezirksvorstehern haben ergeben: Es wird in alle Richtungen gedacht, um das unlösbar scheinende Problem des fehlenden Platzes in den Griff zu bekommen.

Im Stadtentwicklungsplan 2025 sind vor allem neue Schulgebäude in jenen Bezirken geplant, die erstens Platz haben und zweitens laut Prognosen keinen derartigen Kinderboom erleben werden. Dass Kinder aus dicht besiedelten Gebieten künftig in diese neuen Bauten pendeln und einen weiten Schulweg in Kauf nehmen müssen, will die zuständige MA56 aber möglichst verhindern und sich dabei durchaus unkonventioneller Methoden bedienen: So möchte man etwa – wo möglich – Erweiterungen mit Holzelementen bauen. Sportplätze, die dafür etwa verbaut werden müssten, sollen auf das Dach verlagert werden. Künftig soll es eine größere Vermischung von Wohnbau, Gewerbe und Schulgebäuden geben. In der Breitenfurter Straße wird bereits auf einen Supermarkt aufgestockt. Und frei werdende Gebäude sollen adaptiert werden: So plant man etwa in der Gasgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus, eine ehemalige Postfiliale, die derzeit als Flüchtlingsunterkunft dient, in eine Schule umzumodeln. Aber auch das ist nicht immer einfach, weil gerade in alten Gebäuden die räumlichen Gegebenheiten modernen Unterrichtskonzepten nicht entsprechen bzw. dem Gedanken einer Ganztagsschule sogar widersprechen.

„Es ist eine gewisse Jagd nach Ressourcen“, heißt es aus dem Ressort der zuständigen Stadträtin, Sandra Frauenberger (SPÖ). Man sei aber zuversichtlich, die Herausforderung zu meistern. Was man dafür dringend benötige, seien Mittel vom Bund. Dieser hat mit seinen Schulen in Wien aber das gleiche Problem: Denn wenn es Schwierigkeiten gibt, genug Pflichtschulplätze zu schaffen, so wird es auch für den Bund, der für die höheren Schulen verantwortlich ist, nicht einfacher. Rund die Hälfte aller Schüler tritt in Wien nach der Volksschule ins Gymnasium über.

AUF EINEN BLICK

Weitere Infos:www.diepresse.com/panoramaSchulplätze. Eine genaue Analyse der Bevölkerungsstatistik zeigt: Vor allem die inneren Wiener Bezirke werden in den nächsten Jahren einen Kinderboom erleben. So werden etwa der 6., 7., und 9. Bezirk bis 2023 um ein Drittel mehr schulpflichtige Kinder haben als heute. Der Platz für neue Schulen ist im dicht verbauten Gebiet aber rar – die Stadt sucht fieberhaft nach Lösungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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