Gesamtschule: "Kasperl aus dem Sack"

(c) Hemetsberger / Uni Wien
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Forscher Haider ist für die Gesamtschule, wichtiger sei es aber, erst andere Probleme anzugehen. Für Hopmann sind die Fehler der Gymnasien kein Argument.

Wien. Ob es nun der schwarze Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer oder der grüne Bildungsexperte Daniel Landau ist, eines haben sie gemein: Sie sind der Gesamtschuldebatte müde. „Wir haben uns von der Bildungspolitik verabschiedet. Es geht nur um die Gesamtschule. Ich halte es fast nicht mehr aus“, sagte Enzenhofer bei der Diskussion des Instituts für Bildungswissenschaften der Uni Wien und der „Presse“ am Montag. „Es gibt dermaßen viele Themen, die langweiliger sind als das“, sagte Landau. „Aber ja: Die Art der Diskussion ist mehr als entbehrlich.“

Ähnlich äußerte sich der frühere Bifie-Chef Günter Haider, der nur noch angedeutet hat, wo ihm die Diskussion stehe. „Es gibt ja in der Schule reale Probleme, nicht nur die, die die Politiker diskutieren.“ Haider ist (wie Landau) dennoch für die Gesamtschule – weniger wegen der positiven Effekte, sondern, weil das aktuelle System negative Nebeneffekte habe. An der ersten Stelle steht sie aber nicht. Es gelte zu überlegen, was die effektivste Reform bei derzeitigen Ressourcen sei. „Statt einen langfristigen Plan vorzulegen, zieht die Politik aber immer wieder den Kasperl aus dem Sack und sagt: ,Machen wir doch wieder ein bisschen Gesamtschule.‘“

Keine Effekte auf Gerechtigkeit

Sinnvoller, als weiter über die Gesamtschule zu streiten, sei laut Bildungsforscher Stefan Hopmann, gezielt Maßnahmen für benachteiligte Schüler zu setzen. Insgesamt sagt er: „Die österreichische Debatte ist extrem von Überzeugungen geprägt, die sich relativ unbeschadet von empirischem Wissen verhalten.“ Die Forschung zeige, dass eine Gesamtschule keine klaren Effekte auf die Bildungsgerechtigkeit habe. Was die Leistung angeht, seien die Auswirkungen sehr unterschiedlich. Und: „Man darf aus der Tatsache, dass das Gymnasium viel falsch macht, nicht folgern, dass die Gesamtschule die Lösung ist.“

Der Grüne Landau ist anderer Meinung. Für ihn sei eine Gesamtschule eine Conditio sine qua non. Für ihn gehe es unter anderem darum, die Hierarchie abzubauen, und darum zu verhindern, dass Gymnasien Schüler einfach in die Neue Mittelschule abschieben könnten. Man könne jedoch auch eine Gesamtschule ordentlich schlecht machen.

Für den Oberösterreicher Enzenhofer seien die Erwartungen in Veränderungen des Schulsystems generell überzogen. Seiner Meinung nach sind es vor allem die Lehrer, die den Unterschied machen. (red./APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)

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