Norwegen: Eine Schule schafft die Sessel ab

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im norwegischen Ort Bjerkreim hat eine Schule die Sessel in den Klassenzimmern durch Sitzbälle ersetzt und die Ergebnisse untersucht. Zahlreiche Schulen im Land wollen nun nachziehen.

Stockholm. Es ist ein ungewöhnlicher Anblick: In den Klassenzimmern der Grundschule im kleinen norwegischen Ort Bjerkreim sind die Sessel entsorgt worden. In den Klassen fünf bis sieben sind sie Sitzbällen gewichen, die nach Unterrichtsende von den Schülern in einen Ringhalter auf den Tisch gelegt werden, damit der Boden geputzt werden kann.

Der Physiotherapeut Tore Jacobsen aus dem bei der Erdölmetropole Stavanger in Westnorwegen liegenden Örtchen überredete Direktor Dag Voigt und den Schularzt dazu, eine Klasse auf den Wechsel von Stuhl zum Ball vorzubereiten und es versuchsweise auszuprobieren. Zunächst gab es jedoch auch Bedenken. Eine andere Schule in der Gemeinde hatte Medizinbälle ausprobiert und dann doch wieder die alten Sessel aus dem Lager geholt. Die Schüler seien zu unruhig gewesen, das Unterrichtsklima haben sich verschlechtert, warnten die Kollegen. „Unser Ansatz war es, das behutsamer und mit mehr Geduld einzuführen. Es geschah auf völlig freiwilliger Basis und mit viel Aufklärungsarbeit für Eltern und Schülern“, erzählt er.

Eltern und Schüler willigten in den Versuch ein. „Letztlich ist es einfach. Die Schüler finden selbst heraus, wie sie auf den Bällen sitzen und wie sie das im Unterricht variieren“, sagt Voigt. Er erläutert, dass anfangs sogar Muskelschmerzen zu- und die Konzentration abgenommen habe. „Das liegt daran, dass der Schülerkörper lernt, ganz andere, tiefere Muskeln beim Sitzen zu nutzen. Danach wurde es besser. Die Konzentration stieg sogar an. Die Kinder wurden viel fitter. Immer mehr Klassen wollten auch Bälle haben“, erzählt er. Mehrere Tests an der Schule ergaben, dass die Kinder mit Bällen deutlich stärkere Muskeln entwickelten als eine Vergleichsgruppe von gleichaltrigen Schülern mit Sesseln.

Kinder lieben Bälle

Seit Kurzem haben alle Schüler von zehn bis 13 Jahren Sitzbälle. „Es ist selbstverständlich geworden“, sagt Direktor Voigt im Gespräch mit der „Presse“. „Die Kinder konnten selbst fühlen, dass sie stärker geworden sind und das ist ja ein schönes Gefühl. Sie lieben die Bälle. Die sind im Übrigen auch weicher als die harten Sessel.“

„Wenn ich mich auf einem Ball im Unterricht bewegen möchte, kann ich ihn einfach ein wenig hin und her rollen. Beim Sesselreiten hat man mehr Krach gemacht und den Unterricht eher gestört“, sagt etwa Teo Gjedrem aus der sechsten Klasse. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es letztlich mehr Unruhe im Klassenzimmer schafft, wenn die Kinder auf Stühlen sitzen müssen, gerade weil die so statisch sind“, sagt der Rektor. Auch für die Steuerzahler hat er gute Nachrichten. Nicht nur könnten so die Kosten im Gesundheitswesen für Muskelprobleme reduziert werden. Ein Sitzball sei auch nur halb so teuer wie ein Schulsessel. Die Kinder der Klassen eins bis sechs haben allerdings weiter Sessel. „Bei den Kleinen wechseln wir ab, mal sitzen sie auf Stühlen, mal stehen sie, mal liegen sie im Unterricht“, sagt Voigt.

Inzwischen erhält der Schuldirekor ständig Anrufe von anderen norwegischen Schulen. Das Interesse am Austausch von Stühlen durch Bälle sei enorm, erzählt er. „Es wäre schön, wenn das landesweit ins Rollen kommt. Ich kann es nur empfehlen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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