„Lehrer werden in Berlin respektvoller behandelt“

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wegen Lehrermangels sucht die deutsche Hauptstadt auch in Österreich Mitarbeiter. Georg Hollerwöger hat diesen Schritt schon gemacht – er meint, dass Deutschland im Diskurs über Bildungspolitik schon weiter sei.

Berlin. Für Georg Hollerwöger war es ein Tapetenwechsel. „Ich hatte ein super Umfeld an meiner Schule, war auch gern dort.“ Doch nach zweieinhalb Jahren als Lehrer in St. Johann im Pongau wollte er etwas Neues machen, etwas in Richtung Inklusion. Im starren österreichischen Bildungssystem schien ihm das nicht möglich; so ging er im Sommer 2011 an die Freie Universität Berlin nach Deutschland.

Hollerwöger ist heute Lehrer in Berlin. Eine Konstellation, die zuletzt häufig im Gespräch war. Weil die deutsche Hauptstadt im Kampf gegen den Lehrermangel an Grundschulen zu einem ungewöhnlichen Mittel gegriffen hat – mit Inseraten hat man in Österreich um Lehrer geworben. Bisher hat man vor allem in anderen deutschen Bundesländern gesucht – etwa mit „Da werd ned nur o'zapft. Da werd a eigstellt“ in Bayern.

Als Argumente führte man das Einstiegsgehalt von 4450 Euro an – im Gegensatz zu 2550 Euro nach neuem Lehrerdienstrecht in Österreich, dazu günstige Lebenshaltungskosten und gute Infrastruktur. Nicht angeführt wurde, dass die Wochenarbeitszeit in Berlin (28 statt maximal 24 Stunden) höher ist, die Sommerferien mit sechs Wochen kürzer und auch die Regelungen zu Weihnachts- und Urlaubsgeld ungünstiger sind. Die Kampagne dürfte dennoch gewirkt haben. Bei einer Infoveranstaltung vergangenen Samstag in Berlin waren unter den mehr als 300 Interessierten zehn Prozent Österreicher.

Georg Hollerwöger ging nach dem Ende seines Studiums wieder in den Unterricht. Derzeit ist er an zwei privaten Berliner Schulen Lehrer und hat sich auf Kinder mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen spezialisiert, von körperlichen Erkrankungen bis zu emotionaler oder sozialer Auffälligkeit. Einen direkten Vergleich zwischen österreichischen und deutschen Schulen sieht er aber skeptisch – das hänge sehr vom Schulstandort ab. Noch dazu lasse sich eine Schule im Salzburger Umland nicht mit einer in einer Großstadt vergleichen.

Sprache ist kein Hindernis

Die Kernprobleme seien aber in den meisten Schulen gleich. „Die Schulsysteme müssen sich darauf einstellen, wie man mit Heterogenität umgeht.“ Da sei der bildungspolitische Diskurs in Deutschland etwas weiter, da werde nicht in Zusatzmaßnahmen gedacht, sondern gleich ganzheitlicher. Und generell sei der Umgang mit dem Thema in Berlin ein anderer. „Lehrer werden respektvoller behandelt“, meint er. Dass ihnen etwa vorgehalten werde, dass sie so lang Ferien hätten, das gebe es in Deutschland so nicht. Eine scherzhafte Aussage wie die von Wiens Bürgermeister, Michael Häupl, zur Arbeitszeit von Lehrern habe er in Berlin auch noch nie gehört.

Insgesamt sei der Status als Österreicher kein Problem. Auch die Sprache sei kein Hindernis. „Die Kinder merken, dass ich einen Akzent habe, der wird aber oft als bayerisch wahrgenommen.“ Lexikalisch habe er sich mittlerweile assimiliert, meint er. „Nur einmal habe ich ein Kind gefragt, warum es keinen Beistrich setzt – den kennt man hier aber nicht, da sagt man Komma.“ Aber mit Begriffen wie Topfen sei er jetzt schon sensibel. Und auch „die Cola“ verwendet er im Unterricht – aber er weist darauf hin, dass er es in Österreich anders sagen würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

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