Talente: Wiens Spagat bei der Begabungsförderung

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Nur sechs öffentliche Volksschulen in Wien sind ausgewiesen begabungsfreundlich. Ein Lokalaugenschein.

Wien. Seit einem Jahr hat die Volksschule Pannaschgasse in Wien Margareten ein Begabungssiegel. Dieses vergibt der Stadtschulrat an Volksschulen, die Begabungsförderung als Teil ihres Konzepts verstehen, dementsprechend geschultes Personal haben und ein vielfältiges Förderangebot aufweisen. In der Pannaschgasse setzt man vor allem auf Talentewerkstätten. Musik, Mathematik, Yoga und Burgenbasteln: Ein bunt gemischtes Angebot soll die Volksschüler zum Staunen bringen, als Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky (SPÖ) zu Besuch kommt. Klar ist: In der Pannaschgasse geht es nicht speziell darum, hochbegabte Kinder zu fordern und zu fördern. Sondern darum, diverse Interessen und Talente aller zu entdecken und zu unterstützen. „Abenteuer Mathematik“ heißt der Workshop, bei dem die Kinder mit Kichererbsen und Zahnstochern geometrische Figuren konstruieren – von einfachen Pyramiden bis zu sehr komplexen Körpern. In Seifenlauge getaucht offenbaren sie ihre Flächen.

Die Lehrer können hier Dinge vorstellen, die üblicherweise wenig Platz finden, ihnen aber am Herzen liegen. So leitet eine Lehrerin, die mehrere Jahre in China gelebt hat, eben den Workshop zum „Reich der Mitte“. Innerhalb von fünf Wochen wird an je einem Tag die Schule zur Erlebnisstätte, der große Aufwand wird von den Lehrern offenbar recht begeistert betrieben – und auch eine Mutter ist an Bord. Lediglich 13Schulen gibt es in Wien, die das Begabungssiegel an ihre Eingangstür hängen dürfen. In mehr als der Hälfte der Bezirke gibt es aber keine einzige Schule mit einem solchen Siegel. Und was der Stadt Wien außerdem zu denken geben sollte: Rund die Hälfte der Schulen, die ein solches Siegel haben, sind Privatschulen: von der evangelischen Volksschule am Karlsplatz bis zu den Ursulinen am Stadtrand. Dabei müssten sich die öffentlichen Schulen in Wien besondere Mühe geben, die Kinder von bildungsaffinen Eltern nicht an Privatschulen zu verlieren.

Die einzelnen Standorte sehen die Konkurrenz – und engagierte Schulleiter wie Gabriela Göttfried arbeiten dagegen an: „Im fünften Bezirk sind wir die Alternative zu Privatschulen“, sagt sie. Die Schule gelte als durchaus fordernd, das Angebot sei breit. Und der Anteil von 75 Prozent an Kindern mit Migrationshintergrund sei für Margareten gering.

Begabung wird breit ausgelegt

Begabungsförderung ist in Wien ein eher heikles Thema. Im Vergleich mit Oberösterreich gibt es kaum Mittel für Begabungsförderung. Und während dort die besonders begabten Kinder aktiv gesucht und gefördert werden, legt man den Begabungsbegriff in Wien sehr breit aus. Weshalb die öffentlichen Schulen mit dem Begabungssiegel einen Weg suchen, alle Kinder zu fördern. Was im Fall der Pannaschgasse auch den Schülern zugutekommt: Die einzelnen Werkstätten sind gut vorbereitet und machen sichtlich Spaß. Den politischen Eiertanz um Begabungsförderung bemerken sie nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2016)

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