Bildungsbericht: Gute und schlechte Schüler stärker mischen

Clemens Fabry
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Der nationale Bildungsbericht schlägt vor, auf homogene Leistungsgruppen zu verzichten. Klassen sollten einfach alphabetisch zusammengesetzt werden.

Der am Mittwoch präsentierte Nationale Bildungsbericht 2015 spricht sich unter anderem für die Einführung eines Sozialindex für Schulen aus - den schon gestern die neue SPÖ-Bildungsministerin gefordert hatte. Der Bericht wird vom Bifie verfasst und erscheint seit 2009 im Dreijahresrhythmus.

So sollen die Auswirkungen der Zusammensetzung von Klassen und Schulen verbessert werden, heißt es in der Zusammenfassung der Herausgeber. Das bedeutet: So soll ausgeglichen werden, dass sich an Brennpunktschulen Problemschüler sammeln. Weitere Forderung sind eine Verstärkung der individuellen Förderung statt des Versuchs der Schaffung homogener Lerngruppen.

Negative Effekte verstärken sich

Die Zusammensetzung vieler Klassen bzw. Schulen führt derzeit zu einer Art schulischem Matthäus-Prinzip nach dem Motto: Wer viel hat, dem wird noch gegeben, wer wenig hat, dem wird auch das noch genommen. "Wo viele Schüler mit lernhemmenden Eigenschaften zusammengefasst werden, ergibt sich nicht nur der zu erwartende negative Effekt, sondern es kommt noch ein Malus dazu, weil sich diese Effekte verstärken", so Herausgeber Ferdinand Eder.

Umgekehrt entstünde - etwa an vielen Gymnasien - neben den erwartbar guten Effekten noch ein zusätzlicher Bonus, weil die Schüler noch zusätzliche Leistungsdynamik entwickelten.

Wien: Problemschulen mit zusätzlichem Malus

Bestes Beispiel für eine solche Häufung negativer Effekte sei etwa Wien: Die Bundeshauptstadt mit ihrem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund erhalte nun auch noch den größten Anteil an Flüchtlingskindern, so Eder. So entstünden Brennpunktschulen mit einem zusätzlichen Malus. Dieser Entwicklung lasse sich aber bildungspolitisch nur schwer gegensteuern - das gehe nur über Sozial- und Wohnbaupolitik.

Kinder nach Zufallsprinzip in Klassen stecken

Innerhalb der Schulen sollten aber zumindest die Klassen reflektiert zusammengesetzt werden. "Einfach nach dem Zufallsprinzip, etwa alphabetisch", plädierte Eder. Die oft übliche Zusammensetzung nach bestimmten Kriterien (die leistungsstärkeren in die A-Klasse, die Kinder mit Nachmittagsbetreuung in die eine Klasse, die ohne in die andere) führe oft zu einer weiteren Häufung negativer Effekte. Wo ein Ausgleich nicht möglich sei, bedürfe es zusätzlicher Ressourcen, um eine Differenzierung zu ermöglichen.

Verzicht auf homogene Leistungsgruppen

Außerdem müsse viel stärker auf individuelle Förderung der Schüler gesetzt werden als auf Versuche, möglichst homogene Leistungsgruppen zu schaffen. "Diese Homogenisierung über die Leistungsgruppen hat etwa in der Hauptschule nie funktioniert - und sonst eigentlich auch nicht." Die dahinterstehende Idee, dass ein Lehrer mit auf den Durchschnitt ausgelegtem Unterricht alle gleichzeitig erreicht, lasse sich aufgrund der wachsenden Heterogenität der Schülerschaft auch ohnehin nicht mehr verwirklichen.

"Idee der Selektion gesellschaftlich überholt"

"Der rapide Wandel der Schülerschaft lässt die traditionelle Form der Förderung durch leistungshomogene Gruppen zu eindimensional und damit obsolet erscheinen", heißt es etwa im Bericht. "Die Idee der Selektion - also durch die Art des Unterrichts und der Leistungsbeurteilung eine Sortierung der Schülerinnen und Schüler in leistungsstarke, die für höhere Laufbahnen bestimmt sind, und leistungsschwache, die aus dem Bildungssystem aussteigen, herbeizuführen - ist gesellschaftlich überholt, insofern als längst alle Kinder und Jugendlichen zu einem möglichst hohen Kompetenzniveau geführt werden müssen, um in einer Wissensgesellschaft zu bestehen."

Pädagogen können das durchaus

Das Problem derzeit sei auch die Illusion, Schüler irgendwie in die für sie passende homogene Gruppe hinunterstufen zu können, meinte Eder. Das beginne an der AHS-Unterstufe und habe sich in der Hauptschule fortgesetzt: "Solange es irgendwie geht, wird nach unten weitergeleitet." Dabei dürfe es eben nicht darum gehen, die Kinder in die vermeintlich richtige Gruppe abzuschieben, sondern sich selbst um sie zu kümmern - organisatorisch unterstützt etwa durch mehr Unterrichts- bzw. Lernzeit etwa in Ganztagsangeboten.

Die Pädagogen könnten das durchaus, ist sich Eder sicher: "Wer wie ich im ländlichen Raum aufgewachsen ist, hat ja mitbekommen, dass der Lehrer ganz locker vier Jahrgangsstufen in einem Raum unterrichtet hat."

Klar sei aber auch, dass eine solche Ausrichtung eine "völlige Abkehr von einem an Selektion orientierten schulischen System" erfordert, heißt es in der Zusammenfassung des Berichts.

(APA/Red.)

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