Bildungsaufstieg: Doch nicht auf dem letzten Platz?

  • Drucken

Österreich ist beim Bildungsaufstieg hinten. Das liegt aber auch an der Bedeutung von Lehre, HTL und Co. Der Sprung von geringer Bildung zur Hochschule ist schwierig.

Wien. Bildung wird in Österreich vererbt? Und Bildungsaufstieg ist besonders schwierig? So einfach ist es nicht. Denn auch in der zuletzt präsentierten Bildungsstudie der OECD wird Österreich zwar wieder einmal ganz hinten eingereiht, was die Aufwärtsmobilität in den tertiären Bereich angeht. Demnach erreichen lediglich 17 Prozent der Frauen und 18 Prozent der Männer, deren Eltern mindestens eine Lehre, ein Gymnasium, eine BMHS oder beispielsweise eine Pflegeausbildung absolviert haben, einen Hochschulabschluss. Im Durchschnitt der OECD-Länder gelingt das mehr als doppelt so vielen. Allerdings ist der Vergleich nur begrenzt aussagekräftig. Darauf wird nun in der jüngsten OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ hingewiesen.

Der seltene Bildungsaufstieg in manchen Ländern habe verschiedene Gründe, heißt es dort. „In Deutschland, Österreich, Polen, der Slowakei, Slowenien und Tschechien kann der weniger häufige Bildungsaufstieg durch die Tatsache erklärt werden, dass der Sekundarbereich II und der postsekundäre, nicht tertiäre Bereich immer noch eine wichtige Rolle spielen und weithin anerkannte arbeitsmarktrelevante Qualifikationen vermitteln.“ Frei übersetzt heißt das, dass sich in Österreich viele Ausbildungen zumindest formell unterhalb des Hochschulniveaus – eben bei Lehre, HTL oder Akademie – befinden. Und, das ist die Schlussfolgerung, die Wolfgang Feller vom liberalen Thinktank Agenda Austria zieht: dass letztlich auch viele Aufstiege innerhalb dieses Bereichs stattfinden.

Feller hat im Frühjahr in einer eigenen Studie darauf hingewiesen, dass die OECD-Einteilung der Bildungsabschlüsse der österreichischen Realität nicht gerecht wird („Die Presse“ berichtete). Denn viele Bildungsaufstiege würden dort nicht als solche gewertet: Wenn ein Sohn eines Vaters mit Lehre aufs Gymnasium geht und dort Matura macht, gilt das nicht als Bildungsaufstieg. Und auch, wenn die Tochter einer Mutter mit Handelsschulabschluss eine HTL abschließt, ist das formell keiner – obwohl es in puncto Qualifikation deutlich besser ist.

Migranten haben es besonders schwer

Das bedeutet aber noch nicht, dass alles eitel Wonne ist. Denn es bezieht sich auf die Bildungsaufstiege, die von einem schon relativ soliden Bildungsniveau wie Lehre oder Matura weg starten. Sie gelten nicht für jene, die bis zu einem Hochschulabschluss nicht nur eine, sondern gleich mehrere Bildungsstufen überspringen müssen. Tatsächlich schaffen es nur wenige Erwachsene, deren Eltern höchstens einen Pflichtschulabschluss haben, in Österreich bis zur Universität oder Fachhochschule. Das gelingt laut OECD zwölf Prozent derjenigen mit inländischen Eltern. Der OECD-Durchschnitt liegt mit 23 Prozent fast doppelt so hoch.

Für jene, deren Eltern im Ausland geboren wurden, ist ein solcher Aufstieg besonders schwierig: Nur sechs Prozent der Erwachsenen mit Migrationshintergrund, die aus einer Familie mit geringer Bildung kommen, erreichen einen tertiären Abschluss. Im OECD-Schnitt schaffen das 22 Prozent dieser Gruppe. „Immigranten haben es schwer, hohe Bildungsabschlüsse zu erzielen“, heißt es daher auch in dem aktuellen Österreich-Bericht. Auch weiter unten ist der Unterschied groß: 50 Prozent der Erwachsenen mit wenig gebildeten ausländischen Eltern bleiben selbst beim Pflichtschulabschluss stehen. Bei denen mit österreichischen Eltern schaffen laut OECD nur 16 Prozent keinen besseren Abschluss. Beim Sprung von geringer Bildung zu Hochschulabschluss „ist Österreich wirklich schlecht“, sagt auch der liberale Bildungsexperte Feller. „Für Kinder aus bildungsfernen Haushalten muss viel mehr getan werden – und zwar sowohl für jene aus Migrantenfamilien als auch für jene ohne Migrationshintergrund.“

Ältere Studenten verzerren das Bild

Einen zweiten Punkt, der das österreichische Abschneiden beim Bildungsaufstieg verzerren könnte, hat die OECD übrigens auch angemerkt: Sie berücksichtigt nur jene 25- bis 44-Jährigen, die ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Daher könnte der Anteil der besser ausgebildeten Erwachsenen in manchen Ländern zu niedrig angesetzt sein, „falls sich viele Erwachsene über 25 Jahren noch in Ausbildung im Tertiärbereich befinden“. Wenn also viele, wie in Österreich, nach ihrem 25. Geburtstag noch nicht mit dem Studium fertig sind.

Auf einen Blick

Die OECD gibt einmal jährlich die Studie „Bildung auf einen Blick“ heraus. Neben dem Zugang zu Bildung geht es dabei unter anderem um Kosten und Auswirkungen von Bildung („Die Presse“ berichtete). Demnach ist das österreichische Schulsystem relativ teuer – unter anderem wegen der vielen älteren Lehrer und ihrer Bezahlung sowie wegen der vergleichsweise kleinen Klassen. Der Besuch des Kindergartens wirkt sich laut der aktuellen Studie darauf aus, wie groß das Risiko ist, als Jugendlicher schlecht in Mathematik zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.