Wirtschaft: Schulbücher voller Fehler

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Falsche Zahlen, unsaubere Daten, tendenziöse Erklärungen. Was Österreichs Schulbücher über Wirtschaft vermitteln, strotze vor Fehlern und Ideologie, warnen die Ökonomen vom GAW.

Wien. Was lernen Österreichs Schüler über Wirtschaft? Die reflexartige Antwort lautet wohl: gar nichts. Die Realität sieht aber noch etwas dramatischer aus. Sie lernen wenig – und was sie lernen, ist vielfach falsch, unpräzise oder ideologisch gefärbt. Zu diesem Ergebnis kommen die Ökonomen der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung. Sie haben für die Team-Stronach-Akademie 57 Schulbücher zu Geografie und Wirtschaftskunde für die fünfte bis achte Schulstufe untersucht. Auftrag war herauszufinden, was den Zehn- bis 15-Jährigen über Unternehmertum vermittelt wird. Das ernüchternde Resultat: fast nichts.

Im Zuge der Analyse seien die Forscher aber auf ein grundlegenderes Problem gestoßen, schildert Studienautor Stefan Haigner der „Presse“. Österreichs Schüler werden in Sachen Wirtschaft mit Fehlinformationen, unsauberen Statistiken und tendenziösen Erklärungen gefüttert. Obwohl Wirtschaft nur auf wenigen der 6000 untersuchten Seiten behandelt wurde, fand sein Team darin 233 Fehler. Natürlich können Fehler passieren. Häufigkeit und Qualität hätten das „kritische Maß“ aber „überschritten“, so die Autoren. Hier ein Querschnitt darüber, wie Wirtschaft in der Schule falsch erklärt wird.

Wer ist arbeitslos?

Zum Aufwärmen ein Beispiel aus einem Bereich, auf den Lehrer ihre Schüler offenbar nicht früh genug vorbereiten können: die Arbeitslosigkeit. Bloß scheint manchen Schulbuchautoren nicht ganz klar zu sein, was man darunter eigentlich versteht. So heißt es etwa in „GEOprofi 3“: Die Arbeitslosenrate gebe an, „wie viel Prozent der Menschen eines Staates ohne Arbeit sind“. Demnach wäre auch jedes Kleinkind und jeder Pensionist arbeitslos. Zur Sicherheit: Die ILO definiert die Arbeitslosenrate als Anteil der Joblosen an der Erwerbsbevölkerung. Klarer scheint hingegen die Tatsache, dass wer einmal arbeitslos ist, sein Geld eben von anderswo bekommt. Gleich danach geht die Verwirrung aber schon wieder los. „Höhe und Auszahlung“ des Arbeitslosengelds richten sich „auch nach dem Alter“ der betroffenen Person, berichten gleich mehrere Schulbuchautoren. Sie irren allesamt.

Was macht reich?

Noch innovativer sind die Erklärungsansätze, wenn es etwas volkswirtschaftlicher werden soll. So heißt es in „Der Mensch in Raum und Wirtschaft 3“: „Um den Wohlstand im Staat zu sichern, ist es wichtig, eine ausgeglichene Leistungsbilanz zu erzielen.“ Da können auch Länder wie Deutschland, das sich zuletzt durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse einen stattlichen Wohlstand erarbeitet hat, noch etwas lernen. Im selben Buch findet sich auch dieser Satz: „Im europäischen, aber auch im weltweiten Vergleich schneidet Österreichs Wertschöpfung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gut ab.“ Klingt fantastisch, bedeutet leider nichts. Da stört es kaum noch, dass „Neugierig auf . . . Geografie 3“ behauptet: Mit der Inflationsrate lässt sich „der Wohlstand einer Gesellschaft beschreiben“. Wie soll das bitte funktionieren?

Schulbücher werden in der Regel von Lehrern geschrieben, die oft nur wenig Wirtschaftskenntnisse haben, erklärt Ökonom Haigner. Tragisch sei in seinen Augen vor allem die „ideologische Schlagseite“ in vielen Werken.

Wie wird man gut?

Wenn es etwa darum geht, das Umweltbewusstsein der Jugendlichen zu fördern, nehmen es viele Autoren mit den Statistiken nicht so genau. So heißt es in „Meridiane 1“, dass aufgrund des Tempos, mit dem der Regenwald verschwindet, „täglich rund 50 Tier- und Pflanzenarten aussterben“. In „Ganz klar: Geografie 1“ sterben hingegen nur „fünf Arten von Tieren und Pflanzen“ am Tag aus. Erzieherischen Druck gibt es auch beim Thema Energie.  „Wer Geräte im Standby-Modus belässt, hat Strommehrkosten von ca. 400 Euro im Jahr“, schreibt „Ganz klar: Geografie 1“. Die Statistik Austria beziffert den Mehrverbrauch für Stand-by mit 167 Kilowattstunden im Jahr. Die Kosten dafür betragen rund 30 Euro.

Wer ist der Böse?

In einem Punkt sind sich die meisten Schulbücher einig: Schuld am Übel der Welt sind multinationale Konzerne. „Durch [. . .] Verpackung wird viel unnötiger Abfall produziert. Schuld daran ist die Industrie. Die Konsumenten sind oft machtlos“, weiß „Durch die Welt 2“. „Um die besten und günstigsten Angebote zu machen, wird auf die Umwelt keine Rücksicht genommen“, schreibt „Geografie für alle 2“. Plakative Überschriften tun ihr Übriges: Der Titel „Tourismus der Reichen contra Reisen mit Respekt“ in „Der Mensch in Raum und Wirtschaft 4“ lässt wenig Fragen offen. Im selben Buch werden die Schüler ermuntert zu besprechen, was wichtiger sei: eine Neutronenbombe oder Tagesnahrung für zehn Millionen Menschen? Eine schwierige Entscheidung, und ziemlich lebensnah. Auch in Sachen Staatsausgaben weiß das Buch bestens Bescheid. Dieselbe Summe an Steuergeld bringe im Bausektor 76.000 Jobs, im öffentlichen Dienst hingegen 132.000 Jobs. „Ist das nun ein Plädoyer für mehr Beamte oder für niedrigere Löhne?“, fragen sich da nicht nur die Studienautoren.
Dennoch verteidigt Studienautor Haigner den Wirtschaftsunterricht an den Schulen. Immerhin sei etwa jedes zweite untersuchte Schulbuch in Ordnung gewesen. Der Ball liegt damit bei den Verlagen und im Ministerium, damit die Eltern nicht länger zittern müssen, welches Werk ihr Kind beim Bücherlotto zieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2016)

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