Schulautonomie: "Die Eltern und Schüler vor Ort werden entmachtet"

(c) Clemens Fabry
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Eltern, Lehrer und Schüler kritisieren, dass Schulleiter über Klassen- und Gruppengröße entscheiden sollen. Sie beklagen, dass sie die Mitsprache verlieren und fürchten ein Sparpaket.

Wien. Mit vielen Teilen des Schulautonomiepakets sind sie zufrieden – einen Punkt kritisieren Eltern, Lehrer und Schüler aber: Dass die Schulleiter zukünftig allein entscheiden sollen, wie groß Schulklassen oder Lerngruppen sein sollen (siehe Artikel oben). Es sei zu wenig, dass Eltern, Lehrer und Schüler bei der Entscheidung über die Klassengröße nur eine Stellungnahme abgeben dürfen, sagt Lehrergewerkschafter Paul Kimberger.

Laut dem vom Bildungsressort vorgelegten Papier soll die Schulleitung künftig nur verpflichtet sein, „die Kriterien für Gruppengrößen und Teilungen dem Schulforum bzw. Schulgemeinschaftsausschuss zur Kenntnis zu bringen und sich über entsprechende Maßnahmen mit den Schulpartnern zu beraten.“ Der oberste Elternvertreter für die mittleren und höheren Schulen, Gernot Schreyer, hält das für einen großen Einschnitt in das Mitspracherecht: „Die Schulpartner vor Ort werden damit de facto entmachtet“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“.

Der Elternvertreter befürchtet, dass dann über größere Klassen und Lerngruppen an den jeweiligen Schulen Geld eingespart werden muss. Dass Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) betont, dass Schulen die gleichen Ressourcen wie bisher bekommen sollen, lässt er nur bedingt gelten: Man erlebe jetzt schon von Jahr zu Jahr, dass man aus Geldgründen Freifächer nicht mehr durchführen könne oder größere Gruppen bilden müsse. „Und genau hier sollen Eltern und Schüler nicht mehr eingebunden sein.“

„Schon jetzt zu große Klassen“

Nicht begeistert sind auch die Schüler. „Die Abschaffung der Klassenschülerhöchstzahl ist untragbar“, heißt es von den roten Schülervertretern. „Schon jetzt leidet der Unterricht an zu großen Klassen. Eine gewisse Regelung diesbezüglich abzuschaffen, fördert keinesfalls die Qualität des Unterrichts.“

Ein Problem könnte die praktische Umsetzung sein: Laut Gewerkschafter Kimberger ist die bundesgesetzlich festgelegte Klassenschülerhöchstzahl nur ein Richtwert. Die Ausführung stehe in den Landesgesetzen – und die müssten die Länder im Zuge des Autonomiepakets dann ändern.

Die Idee hinter der Maßnahme ist, dass Schulen autonom entscheiden, für welche Fächer welche Art von Gruppenbildung notwendig ist. Wenn durch größere Gruppen in einem Fach oder bei einer Aktivität Ressourcen frei werden, sollen sie für andere verwendet werden können, etwa Kleingruppen, Projekte oder Förderunterricht.

„Schluss mit Reformhysterie“

Die Cluster hält Gewerkschafter Kimberger durchaus für sinnvoll. Allerdings sei das abhängig von den regionalen Gegebenheiten – und nur dann vorstellbar, wenn die Schulen mehr Unterstützungspersonal erhielten. Schwierigkeiten erwartet sich Kimberger auch bei der Suche nach den Cluster-Leitern. Schon jetzt gebe es teilweise nicht genug Bewerber für Schulleiterposten.

„Mir ist außerdem noch nicht klar, was das Paket den Kindern und Lehrern bringt.“ Er ortet einen zu großen Schwerpunkt auf der Schulorganisation. Sollte die Reform umgesetzt werden, müsse man den Schulen auf jeden Fall Zeit geben, diese auch umzusetzen und zu schauen, was gut klappt und wo es Änderungsbedarf gibt. „Derzeit sind wir konfrontiert mit einer Reformhysterie. Damit muss dann einmal Schluss sein.“

Warten auf das Kleingedruckte

Industriellenvereinigung und Arbeiterkammer sind mit den Vorschlägen zufrieden. Sie würden weiter gehen, als alles bisher Gesehene. Die AK vermisst eine Schulfinanzierung nach sozialen Kriterien.

Die Opposition zeigt sich mit Abstrichen zufrieden. Die Grünen warten noch auf das „Kleingedruckte“. Hinter den Clustern, die er vorsichtig positiv sieht, könnten sich Einsparungen verstecken, fürchtet Bildungssprecher Harald Walser. Das Aufbrechen der 50-Minuten-Einheiten könnte wiederum am Lehrerdienstrecht scheitern.

Die Neos sprachen von einem „mutigen Entwurf“. Bei der personellen Autonomie hätte sich Parteichef Matthias Strolz noch mehr Mut gewünscht: Eine Verabschiedung von nicht geeigneten Lehrern müsse möglich sein. Das Team Stronach sieht viele Forderungen erfüllt. Die FPÖ kritisiert, dass nach wie vor nichts wirklich konkret ist. Sobald es um Gesetzesformulierungen gehe, sei es mit der Harmonie zwischen SPÖ und ÖVP wohl schnell wieder vorbei. (beba)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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