Harald Mahrer: „Unfähige Direktoren? Eine Frechheit“

„Auf die Pfeifer wird gepfiffen.“ Harald Mahrer zu dem Eindruck, dass er manchmal aus den eigenen Reihen zurückgepfiffen wird.
„Auf die Pfeifer wird gepfiffen.“ Harald Mahrer zu dem Eindruck, dass er manchmal aus den eigenen Reihen zurückgepfiffen wird.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) über Zentralisierungsbestrebungen aus dem Bildungsministerium, die der Autonomie widersprechen, über die „Gießkanne“ Sozialindex und das Ringen „Zukunft gegen Mittelalter“ in der ÖVP.

Die Presse: Zuletzt ist es ein bisschen ruhig um Sie geworden.

Harald Mahrer: Das würde mich wundern. Wir haben uns darum gekümmert, dass ein Baustein der Bildungsreform – die Bildungsinnovationsstiftung – im Parlament beschlossen wird. Und wir sind in Verhandlungen, was Schulautonomie und Schulverwaltung angeht.


Trauen Sie sich zu sagen, wann alles in Gesetze gegossen ist?

Das muss 2017 sein. Offen sind die Autonomie, die Behörde, die Modellregionen und die Umsetzung des zweiten Kindergartenjahrs. Die anderen Teile sind erledigt.


Die Eckpunkte der Schulautonomie wurden im Oktober begeistert präsentiert. Jetzt hakt es offenbar wieder. Was ist da los?

Das Bildungsministerium hat einige Entwürfe überarbeitet. Es gab unlängst eine sehr intensive erste Verhandlungsrunde mit einer Vielzahl offener Fragen, die jetzt überarbeitet wird. Wir wollen keine Operation am offenen Herzen machen. Die Autonomie muss so umgesetzt werden, wie sie vereinbart wurde. Es geht darum, Entscheidungskompetenz an den Standort zu verlagern. Keinesfalls darum zu zentralisieren, wie sich vielleicht manche wünschen würden.


Erste Verhandlungsrunde klingt nicht so, als würde man wie angekündigt im Jänner fertig.

Das hängt davon ab, wie zügig man zu den Punkten zurückfindet, die vereinbart waren. Wir haben eine klare Vorstellung davon, wie Autonomie aussehen soll. Und das bedeutet nicht Zentralisierung.


Was meinen Sie genau, wenn Sie von Zentralisierung sprechen?

Ob man durch die Hintertür Möglichkeiten schaffen will, um die Autonomie auszuhöhlen, indem das Ministerium direkt in irgendwelche Agenden eingreifen kann, die wir an die Schulen übertragen wollen. Das muss man sauber ausdiskutieren. Und derzeit gibt es noch eine Reihe an Interpretationsspielräumen, die ausgeräumt gehört.


Das erinnert an das Bildungsreformpapier – das dann auch jeder auf seine Art interpretierte.

Für die Schulautonomie muss eine Vielzahl konkreter Gesetze verändert werden. Wenn das erledigt ist, ist es erledigt. Ob das jetzt drei, vier Wochen länger dauert, ist mir bei einem Projekt, dessen Umsetzung auf zehn Jahre angelegt ist, herzlich egal. Mir geht es um die Kinder. So verstehe ich übrigens auch meine Rolle: Ich bin der Anwalt der Kinder am Verhandlungstisch. Denn so viele sehe ich nicht.


Die Bildungsministerin nicht?

Die Frau Ministerin hat auch stark das Kindeswohl im Fokus, aber sie muss als Dienstgeberin auch andere Interessen vertreten. Ich habe vielleicht etwas mehr Freiheit, auf die große Vision zu schauen.


Zurück zur Schulautonomie. Die Ministerin will auch, dass Geld teilweise nach sozialen Kriterien vergeben wird. Sind Sie dafür?

Die Debatte über ein neues Finanzierungsmodell ist notwendig und richtig. Das Sozialindexmodell halte ich aber für wenig praktikabel.


Warum?

Weil es nur einen Teil der regionalen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Es ist wieder eine Art gießkannenorientierter Ansatz. Und die Bedenken, dass Mittel verschoben werden könnten, sind gerechtfertigt. Es gibt Situationen, in denen es mehr Ressourcen braucht. Aber jemand anderem weniger zu geben halte ich für problematisch.


Eltern und Lehrer wehren sich gegen die flexiblen Gruppengrößen. Viele Direktoren finden das gut. Bleiben Sie da hart?

Dahinter steckt die Sorge, dass es zu Einsparungen kommt. Aber es gibt eine fixe Zusicherung des Ministeriums, dass das nicht passiert. Das muss man glaubhaft darstellen, in der Gesetzesmaterie verankern.


Und die Flexibilisierung kommt.

Ich kann mir das so vorstellen. Dahinter steckt ja die Idee, Entscheidungskompetenz an die Schulleiter zu übertragen. Wenn das nicht passiert, ist Autonomie ein Werbegag. Dass jetzt manche Schulpartnervertreter behaupten, die Direktoren seien unfähig, das zu entscheiden, ist eine Frechheit. Wenn wir lauter unfähige Direktoren hätten, könnten wir das Schulwesen zusperren. Das Gegenteil trifft zu.


Manche fürchten, dass vielleicht nicht die, aber eine nächste Regierung einsparen könnte.

Das wäre eine bildungs- und sozialpolitische Bankrotterklärung.


Es wäre aber nicht das erste Mal, Stichwort Elisabeth Gehrer.

Ob das damals gescheit und richtig war, ist die Frage.


Sie haben immer die Bedeutung des Kindergartens betont. Genau da ist kaum etwas passiert.

Das finde ich nicht. Der Bildungskompass geht in die Pilotphase . . .


Auch der bundesweite Qualitätsrahmen sollte Ende dieses Jahres schon fertig sein.

An dem wird gearbeitet.


Das paktierte zweite Pflichtkindergartenjahr ist auch noch immer in weiter Ferne.

Das stimmt so nicht. Der Kindergarten ist das Pilotprojekt für den aufgabenorientierten Finanzausgleich. Darüber bin ich sehr froh. Familienressort, Finanzressort und Länder erarbeiten, anhand welcher Kriterien die Kindergärten zukünftig finanziert werden. Im Zuge dessen soll auch das zweite Kindergartenjahr umgesetzt werden. Im August muss das fertig sein.


Anderes Thema: Bisweilen hat man den Eindruck, dass Sie mit der Ministerin gut zusammenarbeiten – aber dann aus eigenen Reihen zurückgepfiffen werden.

Auf die Pfeifer wird gepfiffen.


Manchen in der ÖVP scheinen Sie etwas zu progressiv zu sein.

Sicher, das gibt es. So wie manche finden, dass der Steueransatz zu progressiv ist oder man nicht in jedem Tal Internet verlegen muss. Das ist genau das Ringen Zukunft gegen Mittelalter, das wir haben. Ich stehe auf der Seite der Zukunft und nicht auf der des Mittelalters.

Zur Person

Harald Mahrer (43) ist seit September 2014 Staatssekretär im Wissenschaftsministerium. Er verhandelt für die ÖVP die Schulthemen mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ). Einige Bausteine der am 17. November 2015 von der Regierung paktierten Bildungsreform sind nach wie vor offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.