Neuer Stadtrat will Integrationsprobleme in Schule "nicht schönreden"

Neo-Stadtrat Czernohorszky verschärft nach diversen Vorfällen die Kontrollen bei Kindergartenbetreibern in Wien.
Neo-Stadtrat Czernohorszky verschärft nach diversen Vorfällen die Kontrollen bei Kindergartenbetreibern in Wien.(c) Stanislav jenis
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Neo-Stadtrat Jürgen Czernohorszky will die Kontrolle im Kindergarten verschärfen und lobt klare Integrationsregeln. Ein Burkaverbot ist für ihn "Symbolpolitik". Wichtiger sei das Integrationsjahr.

Die Presse: Die Bundesregierung will nun ein Vollverschleierungsverbot bzw. teilweise Kopftuchverbote im öffentlichen Dienst. Dient das der Integration?

Jürgen Czernohorszky: Das Burkaverbot ist Symbolpolitik, die mich aufgrund der kleinen Gruppe an Menschen, die es betrifft, nicht großartig aufregt. Zentraler ist der Erfolg beim Integrationsjahr. Das sind endlich richtige Schritte – bei Sprache und Arbeitsmarkt.


Für Richter und Polizisten gibt es ein Kopftuchverbot. Ist das auch für Lehrerinnen denkbar?

Das Wort Kopftuchverbot kommt im Regierungsprogramm nicht vor. Wir sprechen von einem Neutralitätsgebot für Berufsgruppen, die bereits jetzt strenge Kleidungsvorschriften haben. Das halte ich für einen vernünftigen Zugang.


Und in der Schule?

Da gilt es in den Dialog mit den Religionsgemeinschaften zu treten, wie es der Bundeskanzler bereits angekündigt hat. Wenn man hier einen gemeinsamen Weg findet, halte ich das für vernünftig.


Die SPÖ war gegen Flüchtlingsklassen. Warum gibt es sie?

Bei ca. 4500 schulpflichtige Flüchtlinge im Vorjahr kamen wir nicht umhin, neue Klassen zu schaffen – auch, weil sie während des Schuljahres kamen. Die Kinder hatten in der Schule aber viel Kontakt mit anderen Kindern. Wir konnten nun die Zahl von 16 auf sechs Klassen reduzieren. Aber auch wenn ich neue Klassen nicht ausschließen kann: sie werden keine Standardeinrichtung.


Es gab Berichte über Parallelgesellschaften, die sich in einigen Schulen manifestiert haben. Und die sich auf den Islam berufen.

Ich bin mit jeder Tendenz zu einer Parallelgesellschaft unzufrieden. Und ich bin kein Freund davon, Dinge schönzureden. Also: Selbstverständlich gibt es das. Die Antwort muss aber vielfältig sein.


Wie groß ist das Problem?

Es reicht, wenn es in einer Klasse vorkommt. Radikalisierungen sind aber sicher kein Massenphänomen – auch, weil wir etwa mit unserem Deradikalisierungsnetzwerk sehr intensiv dagegen arbeiten.


Was unternehmen Sie dagegen?

Wir müssen in der Schule und Jugendarbeit mehr Schwerpunkte auf die Themen politische Bildung, Demokratie und Kinderrechte setzen. Wir haben einen Stufenplan entwickelt: intensiv mit den Jugendlichen arbeiten, mit den Eltern reden, mit Lehrern und bei einer Radikalisierung selbstverständlich auch mit der Polizei. Das passiert bereits durch die Deradikalisierungsarbeit in Wien. Ich hoffe, dass auch auf Bundesebene mehr passiert – im Sinne unserer engen Zusammenarbeit aller Institutionen, die mit Kindern arbeiten.


Apropos Bund: Im Maßnahmenpaket der Bundesregierung gibt es viele Verschärfungen. Hat sich die ÖVP durchgesetzt?

Das Integrationsjahr mit allen Maßnahmen ist eine intensive Forderung der SPÖ gewesen. Die Systematik aus Pflicht und Sanktion entsteht daraus, dass die Maßnahmen im Integrationsjahr arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind. Das bedeutet, dass die Systematik (Sanktionen bei Verstößen, Anm.), die es sonst beim AMS gibt, auch hier umgesetzt wird. Das ist für mich völlig in Ordnung.


Im SPÖ-Richtungsstreit wurden Forderung nach mehr Strenge im Integrationsbereich gekontert: Man dürfe nie die FPÖ-Politik übernehmen. Jetzt ist das die Linie von Rot-Schwarz im Bund.

Wir reden nicht von Verschärfungen, sondern endlich von bundesweit flächendeckenden Angeboten. Wir hatten oft Diskussionen über Verschärfungen, wenn Zuwanderer Werte- oder Sprachkurse nicht besucht haben, aber es zugleich viel zu wenig Angebote vom Bund gab. Wir haben das in Wien aber umgesetzt und z. B. im Vorjahr die Sprachförderungen im Kindergarten verdoppelt – relativ unbeeindruckt von irgendeinem Richtungsstreit. Und jetzt haben wir erstmals auch bundesweit ein strukturiertes Programm dafür.


Wo steht Jürgen Czernohorszky im roten Richtungsstreit?

Ich habe mich in den letzten Monaten auf meine Arbeit konzentriert. Ich würde mir wünschen, dass das alle machen.


Sie sind neu in die Stadtregierung und werden schon als möglicher Häupl-Nachfolger gehandelt. Wie gehen Sie damit um?

Man sollte sich auf die Arbeit konzentrieren und nicht auf solche Diskussionen. Der Bürgermeister heißt Michael Häupl.


Nach mehreren Fördergeldskandalen in Wiener Kindergärten: Werden die Kontrollen jetzt deutlich verschärft ?

Ganz sicher. Bei den Wiener Kindergärten reden wir von einem flächendeckenden System mit Spitzenleistungen. Wir werden aber noch genauer kontrollieren und die Zahl der Kontrollen erhöhen. Um wie viel, kann ich an meinem dritten Arbeitstag nicht quantifizieren – das wäre unseriös.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2017)

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