Volksschule: Stehen die Mehrstufenklassen vor dem Aus?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Bedingungen für die Doppelbesetzung sind ungeklärt. Die Klassen, in denen Kinder zwischen sechs und zehn Jahren gemeinsam lernen, sind bei Eltern sehr beliebt.

Wien. Mehrstufenklassen sind in Wien äußerst beliebt. Für die Volksschulklassen, in denen alle Jahrgänge miteinander lernen, melden zumeist weit mehr Eltern ihre Kinder an, als es Plätze gibt. Die Bedingungen für diese Klassen sind in Wien derzeit gut: Durch eine Doppelbesetzung der Lehrer können die Kinder besonders gut betreut werden. Frontalunterricht gibt es in diesen Klassen nur selten, in einigen Bereichen sind die Kinder in zwei Gruppen getrennt: Die Erst- und Zweitlklassler und die Dritt- und Viertklassler. Dafür sind auch zwei Klassenzimmer die Norm.

Die Bildungsreform könnte nun das Aus für die Wiener Mehrstufenklassen bedeuten. Das fürchtet Ex-Volksschuldirektor Werner Mayer, dessen ehemalige Schule eine der ersten war, in denen Kinder zwischen sechs und zehn Jahren gemeinsam lernten. Der Grund dafür: Die geplante Schulautonomie soll die bisherigen Schulversuche ablösen – darunter auch die Mehrstufenklassen. Damit könnte die stärkere Lehrerbesetzung in den Mehrstufenklassen wackeln. Die Rahmenbedingungen für dieses Teamteaching seien nämlich ungeklärt, so Mayer.

Die elf zusätzlichen Lehrerstunden pro Woche, die es für Mehrstufenklassen gibt, sind nur im Schulversuch verankert. „Gibt es den nicht mehr, geht die Klasse in das Regelschulwesen über – und da ist eigentlich keine Doppelbesetzung vorgesehen“, sagt der Ex-Direktor zur „Presse“.

Keine Rechtsgrundlage

Für die zusätzlichen Ressourcen, die die Mehrstufenklassen benötigen, um sinnvoll zu funktionieren, gäbe es dann keine rechtliche Grundlage mehr. „Eine Schule kann sich Doppelbesetzungen erlauben, wenn sie die entsprechenden Ressourcen hat – aber es gibt keine Rechtssicherheit“, warnt Mayer. Die Bedingungen für die Doppelbesetzung sind ungeklärt. In Wien besuchen dem ehemaligen Direktor zufolge 3000 Schüler Mehrstufenklassen. Der Schulversuch besteht bereits seit 1997.

Im Stadtschulrat stand man bisher stets hinter den Mehrstufenklassen. Immerhin könne man so bildungsaffine, bürgerliche Eltern, die ihre Kinder ansonsten vielleicht an Privatschulen geben würden, an öffentliche Schulen bringen. (beba)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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