Bildungsgrätzel: Wenn Schulen kooperieren

Die Direktoren Ellmauer (BRGORG), Schwarz (VS) und Serdaroglu-Ramsmeier (WMS). Kindergartenleiterin Appel ist im Urlaub.
Die Direktoren Ellmauer (BRGORG), Schwarz (VS) und Serdaroglu-Ramsmeier (WMS). Kindergartenleiterin Appel ist im Urlaub.(c) Akos Burg
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Im 15. Gemeindebezirk arbeiten drei Schulen und ein Kindergarten eng zusammen. Das soll es laut dem Bildungsstadtrat in Wien künftig öfter geben. Ein Besuch.

Wien. Irgendwie hat alles mit dem Essen begonnen. Weil die Schüler der WMS Kauergasse mittags den Speisesaal der Volksschule Reichsapfelgasse benützen, kannten sich die Direktoren. Und haben vor einigen Jahren im 15. Wiener Bezirk erste Bande geknüpft. Und eine Zusammenarbeit gestartet, die – mit dem Gymnasium Henriettenplatz und dem Kindergarten Dadlergasse – inzwischen zur Bildungskooperation Schönbrunn herangewachsen ist: einer Allianz, wie es sie in Wien künftig öfter geben soll.

Wie Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky am Donnerstag bei der Klubtagung der Wiener SPÖ ankündigte, sollen sich die Bildungseinrichtungen stärker vernetzen. Zusätzlich zu den derzeit fünf Campusmodellen, bei denen sich Kindergärten und Schulen von vornherein am selben Standort befinden, sollen bestehende Einrichtungen – von Kindergärten über Bibliotheken bis Jugendzentren – sogenannte „Bildungsgrätzel“ formen. So wie das in Rudolfsheim-Fünfhaus schon – von unten gewachsen – Realität ist.

Spanisch, Fußball, Sprachförderung

Spanisch und Fußball: Anhand der beiden Beispiele wird am anschaulichsten, was eine solche Zusammenarbeit bringen kann. Die Kinder können hier von der Volksschule über die WMS bis zur Matura durchgehend Spanisch lernen – und ab Herbst sogar schon im Kindergarten. Und: Mädchen können von der Volksschule weg Fußball spielen: Weil die Volksschuldirektorin Edith Schwarz Mädchenfußball anbietet, hat das auch WMS-Leiterin Marion Serdaroglu-Ramsmaier eingeführt. „Und weil das dann auch am Gymnasium nachgefragt wurde, habe ich auch eine Mädchenfußballgruppe“, sagt BRG/ORG-Direktor Gottfried Ellmauer. Die drei lachen. Es ist nicht zu übersehen, dass die drei Schulleiter – Kindergartenchefin Ilse Appel ist gerade nicht in Wien – in Ellmauers Büro schon oft zusammensaßen. „Und wir verstehen uns gut“, sagt Schwarz. Seit sie im Herbst alle mit den Pädagogen auf Klausur fuhren, gibt es ein Logo, das alle vier Häuser abbildet. Und eine ganze Reihe anderer Vernetzungen.

Sowohl in der Mittelschule als auch im ORG gibt es die Möglichkeit, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch zu wählen. Die Deutschförderlehrer von Volksschule und WMS haben sich zusammengetan. Eine Volksschullehrerin macht in der ersten Klasse WMS Leseförderung und Lerncoaching, ab Herbst soll in der vierten Klasse eine AHS-Lehrerin vom Henriettenplatz unterrichten. Es gibt gemeinsame pädagogische Konferenzen, Pädagogen der verschiedenen Bildungseinrichtungen hospitieren gegenseitig – und feilen dann via Whatsapp an neuen Ideen.

Entschärfung der Schnittstellen

„Die Zusammenarbeit ist ein Prozess, der sich ständig weiterentwickelt“, sagt Serdaroglu-Ramsmaier. Dahinter steht einerseits der Gedanke, dass Angebote aus der Volksschule wohnortnah in den darauffolgenden Schulen weitergeführt werden. Zumal die Schulen sich eben an die Kinder des 15. Bezirks richten: an die in der direkten Umgebung. Andererseits geht es auch um eine Entschärfung der Schnittstellen – vom Kindergarten in die Volksschule, in die AHS-Unterstufe oder Mittelschule bis zum ORG.

„Die Kinder können gleich zu mir kommen. Aber vielleicht braucht einer länger, dann ist er mit zehn Jahren bei Marion besser aufgehoben“, sagt Ellmauer. „Wenn er dann AHS-Reife hat, kann er in der Oberstufe kommen.“ Eine bis eineinhalb der vier Volksschulklassen gehen pro Jahr in die WMS Kauergasse, eine halbe Klasse in die Unterstufe. Und etwa zehn bis 15 Schüler aus der Mittelschule wechseln dann ins Oberstufengymnasium: die aktuelle Schulsprecherin am Henriettenplatz zum Beispiel ist eine von Serdaroglu-Ramsmaiers Ex-Schülerinnen.

Besser auf nächste Schule vorbereitet

Das müsse aber auch nicht unbedingt passieren, meint Ellmauer: Die Schüler würden von der Kooperation auch profitieren, wenn sie irgendwann eine andere Schule wählen. Die Lehrer an den Schnittstellen sprechen über den Stoff, vergleichen die Schularbeiten, tauschen sich über die Schwerpunkte in der ersten Klasse Gymnasium oder WMS oder dann im Oberstufengymnasium aus. „Dadurch haben die Schüler den Vorteil, dass sie eine Spur besser auf die jeweils folgende Schule vorbereitet sind“, sagt der Direktor.

Die Schulen lernen auch kontinuierlich etwas dazu: Dass Kinder nach der Volksschule behutsam an Schreiben in englischer Sprache herangeführt werden müssen, weil Englischunterricht in der Volksschule nur mündlich ist. Dass Hausaufgaben anders eingeführt werden müssen, weil es sie an der Ganztagsvolksschule vorher nicht gab. „Oder der Wechsel von der Klassenlehrerin zu den vielen verschiedenen Professoren im Gymnasium: Wenn man das spürt, versteht man wieder besser, warum manche ein bisschen geschreckt sind“, sagt Ellmauer.

AUF EINEN BLICK

Bildungskooperation Schönbrunn. Aus eigener Motivation – aber mit Unterstützung von Bezirk und Schulaufsicht – haben sich ein Kindergarten und drei Schulen in Rudolfsheim-Fünfhaus vernetzt. Geht es nach SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky, soll es das künftig öfter geben: Er wünscht sich, dass Bildungseinrichtungen, die nahe beieinander liegen – vom Kindergarten über Schule und Bibliothek bis zum Jugendzentrum –, enger kooperieren. Die sogenannten Bildungsgrätzel sollen neben den Campusmodellen existieren, von denen es in Wien derzeit fünf gibt, weitere im Bau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2017)

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