Schulreform droht zu scheitern

Bundeskanzler Christian Kern (Mitte) nach seinem Sechs-Parteien-Treffen im Parlament in Wien
Bundeskanzler Christian Kern (Mitte) nach seinem Sechs-Parteien-Treffen im Parlament in Wien(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Die Grünen wollen ganz Vorarlberg als Modellregion, um die Gesamtschule zu testen. Die SPÖ macht Druck auf den Koalitionspartner. Die ÖVP spielt den Ball zurück an die Opposition.

Wien. Die Chancen, dass die paktierte Bildungsreform noch umgesetzt wird, stehen schlecht: Dieser Befund ist ein Ergebnis des Sechsparteiengesprächs, zu dem Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag geladen hat – und das sonst keine konkreten Ergebnisse brachte: Man hat sich darauf verständigt, weiter Gespräche über Vorhaben zu führen, die man vor der Wahl noch umsetzen könnte. Offiziell gehören die Schulautonomie und die Schulverwaltung dazu. Für die nötige Zweidrittelmehrheit im Parlament sieht es aber derzeit nicht gut aus. Es hakt – wieder einmal – bei der Gesamtschule, wo es ein Patt zwischen Grünen, SPÖ und ÖVP gibt.

Die Grünen wollen für ihr Ja die Möglichkeit, dass ganz Vorarlberg zu einer Gesamtschulmodellregion werden kann und haben dafür nun einen Vorschlag gemacht. Eigentlich sollten die Gesamtschulversuche mit maximal 15 Prozent der Schüler eines Bundeslands begrenzt sein: Das war eine Bedingung der ÖVP. Stattdessen wollen die Grünen die 15 Prozent als bundesweite Obergrenze festmachen: Ein einzelnes Bundesland – Vorarlberg – könnte so vorpreschen.

Die SPÖ macht jetzt massiven Druck in diese Richtung. Kanzler Christian Kern fordert nach dem „sehr guten“ Vorschlag der Grünen nun Bewegung von der Volkspartei. „Wenn wir das scheitern lassen, machen wir einen großen Fehler.“ Ginge es nach ihm, könnte man die Reform noch am selben Abend finalisieren. Und weiter: Die Volkspartei werde sich schwer tun zu erklären, warum sie die Bildungsreform nicht beschließe. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) soll jedenfalls weiterverhandeln.

„ÖVP auf der Bremse“

Ähnliches hatte zuvor der rote Klubchef Andreas Schieder den fast drei Dutzend Journalisten gesagt, die vor dem Ministerratszimmer im Parlament auf die Vertreter der sechs Parteien warteten. „Wenn man als Rot und Schwarz auf die Grünen zugehen würde, käme man weit“, sagte er nach dem anderthalbstündigen Gespräch. Er erwartet sich mehr Bereitschaft für den grünen Vorschlag. „Sonst wird die Reform leider scheitern.“ Auf die Frage, ob die Volkspartei bremse, sagte Schieder: „So kann man es auch sagen.“

ÖVP-Chef Sebastian Kurz spielt den Bildungsreformball der FPÖ bzw. den Grünen zu. Von ihnen hänge es ab, ob die Zweidrittelmehrheit für die Bildungsreform zustande komme, sagte er. Mit wem es leichter gehe, wollte Kurz – dem Schieder zuvor unterstellt hatte, die Reform ohnehin lieber mit der FPÖ umsetzen zu wollen – nicht beurteilen. Eine der Oppositionsparteien müsse sich bewegen.

Das sieht der grüne stellvertretende Klubchef Albert Steinhauser naturgemäß anders: Es liege an SPÖ und ÖVP. Man könne nicht verlangen, dass sich der andere bewegen müsse und sich zurücklehnen. Er verwies darauf, dass die Idee für die Gesamtschulmodellregion in Vorarlberg von der dortigen Volkspartei getragen werde. Steinhauser will weiter verhandeln.

„In erster Linie Inszenierung“

Für ein Ja der FPÖ zu der Reform müssten die Gesamtschulmodellregionen wegfallen oder zumindest deutlich reduziert werden, sagte FPÖ-Mandatar Harald Stefan, der Parteichef Heinz-Christian Strache vertrat, der gestern bei einem Klubobleutetreffen der FPÖ in Linz war (siehe Seite 7). Eigentlich hatte die FPÖ bereits ein Nein zur Reform angekündigt. Das Sechsparteiengespräch hielt Stefan „in erster Linie für Inszenierung“. Neos-Chef Matthias Strolz forderte nach diesem Gespräch die „Kurz-ÖVP“ auf, ihre Blockaden aufzugeben. Stronach-Klubchef Robert Lugar sieht noch viele offene Themen.

Ansonsten waren die Parteien jeweils bei verschiedenen Themen optimistisch, dass noch eine Einigung zustande kommt: Kurz nannte den Sicherheitsbereich und die kalte Progression, Kern sprach von der Gewerbeordnung.

Neuwahlbeschluss am 17. Juli

Ein Ergebnis des Gesprächs ist immerhin ein konkreter Zeitplan für die Neuwahl, auf den sich die sechs Parteien geeinigt haben: Der Beschluss soll in einer Nationalratssondersitzung am 13. Juli gefasst werden. So kann der Eurofighter-U-Ausschuss bis inklusive 12. Juni tagen. Offizielles Tagungsende des Nationalrats wäre der 17. Juli. Die Wahl soll am 15. Oktober stattfinden – auf diesen Termin haben sich die Parteien bereits vergangene Woche verständigt.

AUF EINEN BLICK

Sechs-Parteiengespräch. Auf Einladung von Kanzler Christian Kern (SPÖ) haben sich am Dienstag Vertreter aller sechs Parlamentsparteien getroffen, um auszuloten, welche Projekte man bis zur Neuwahl im Herbst umsetzen könnte. Neben der neuen Gewerbeordnung ging es dabei vor allem um die Bildungsreform. Das Autonomiepaket braucht nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2017)

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