Kein Turnen für Kinder mehr?

Themenbild: Turnen
Themenbild: Turnen(c) APA/ERWIN SCHERIAU
  • Drucken

Der Prozess um ein verletztes Mädchen löst eine Debatte um das Betreuungsverhältnis aus. Die Pädagogen warnen vor den Folgen.

Wien. „Das Urteil führt zur totalen Verunsicherung bei den Kindergartenpädagoginnen“, meint Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen. Und der Gesetzgeber sei mitschuld an den Geschehnissen, meint der Abgeordnete. Denn das Betreuungsverhältnis zwischen Kindergärtnern und Kindern sei zu schlecht, sagt Walser zur „Presse“

Es ist eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu einem Kindergartenunfall, der für die aktuelle Aufregung sorgt. Der OGH hatte die Schadenersatzforderung eines fünfjährigen Mädchens bejaht. Die Kindergärtnerin stand nicht daneben, als es das Mädchen von einer auf der Sprossenwand eingehängten Langbank rutschen ließ. Die Frau, die allein auf 21 Kinder aufpasste, war anderwertig im Raum beschäftigt. Die Höchstrichter orteten einen Verstoß der Kindergartenpädagogin gegen die Sorgfaltspflichten. Für den Schaden aufkommen wird die Gemeinde als Halterin des Kindergartens.

Das Betreuungsverhältnis ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Die Vorgaben schwanken bei den 3- bis 6-Jährigen zwischen 1:7 (Pädagoge zu Kindern) und 1:16,7. In der Praxis sollen in machen Situationen aber noch mehr Kinder auf einen Betreuer kommen können. Walser wünscht sich langfristig ein Verhältnis von 1:7 zwischen Kindergartenpädagogen und Kindern in ganz Österreich, so wie es in Finnland sei. Um dafür genug Personal zu haben, müsse man Kindergärtner so gut zahlen wie Pflichtschullehrer, fordert der Grüne. Zudem sollen Kindergartenpädagogen eine bessere Ausbildung (samt Bakkalaureat) erhalten.

Walser wirft Familienministerin Sophie Karmasin vor, zu wenig für ein gutes Betreuungsverhältnis in den Ländern getan zu haben. „Die Kinderbetreuung ist Länderkompetenz, damit ist auch die Verbesserung des Betreuungsschlüssels Aufgabe der Länder“, entgegnet Karmasins Ministerium. Der Bund habe aber einen Zweckzuschuss beigestellt.

„Nur mehr auf Polstern sitzen lassen?“

Warnenden Worte kamen vom Berufsverband der Kindergartenpädagogen. Er fürchtet, dass als Folge des Urteils immer mehr Pädagogen Bewegungseinheiten mit den Kinder meiden könnten. Solle man künftig „Kinder nur mehr auf Polstern sitzen lassen, damit sie weich fallen?“, fragte der Verband. Auch er fordert mehr Personal.

>> Nachlese: Schadenersatz: Kinder darf man nicht allein rutschen lassen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.