Alternative Unterrichtskulissen: Holz bremst Herz

(c) Die Presse (Höfler)
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Eiche, Fichte und Feng Shui: In der Steiermark wird in Pilotprojekten die beruhigende Wirkung alternativer Unterrichtskulissen erprobt.

Das wird eine Revolution auslösen.“ Johann Resch, Bürgermeister von Haus im Ennstal, kennt wenig Bescheidenheit, wenn es um sein aktuelles kommunales Lieblingsprojekt geht: die beiden „Holzklassen“ in der Volksschule des obersteirischen Wintersportortes.

Die Generalsanierung des 33 Jahre alten Gebäudes hat man dort genutzt, um zwei Klassenräume (fast) vollständig zu „verholzen“. „Wenn bei uns die Bäume schon beim Fenster hereinwachsen, dann sollten wir sie auch nutzen“, begründet Resch die Initiative. Und so besteht der Boden in den beiden Klassenzimmern nunmehr aus geöltem Eichenholz, die Decke aus unbehandelter Fichte mit integrierten Lichtlamellen aus Zirbenholz, die für eine wohlig-weiche Beleuchtung sorgen, die Wand aus unbehandelten Fichtenbrettern und der Kasten für die Zeichen- und Bastelutensilien an der Rückwand der Klasse aus einem wuchtigen Zirben-Buche-Mix.

Der Rückgriff auf endemische Rohstoffe – zwei Drittel der Steiermark sind bewaldet – hat aber nicht nur pragmatisch-ökonomische Gründe, sondern war auch von Erwartungen in puncto Gesundheit begleitet. Denn Vollholzausstattungen wirken auf den Organismus beruhigend. Das ist wissenschaftlich erwiesen, seit die steirische Forschungsgesellschaft Joanneum Research die gesundheitsfördernde Wirkung von Zirbenholzzimmern nachgewiesen hat. 3600 Herzschläge pro Tag erspart man sich demnach in einem ausschließlich mit Zirbenholz eingerichteten Schlafzimmer. Das ist aber noch nichts gegen die „Holzklassen“ in der Hauser Volksschule, die ebenfalls eine Zweitfunktion als „Joanneum-Forschungslabor“ erfüllten.

8600Herzschläge weniger. Das gesamte vergangene Schuljahr über wurden bei 28 Schülern zweimonatlich 24-Stunden-EKG-Messungen durchgeführt. Als Vergleichswerte dienten Messergebnisse in den Sommerferien beziehungsweise Referenzmessungen bei gleichaltrigen Schülern, deren Klassenzimmer (aus Kostengründen) mit Linoleumboden, Gipskartondecken mit Dispersionsfarbe und Kästen aus beschichteten Spanplatten saniert wurden.

Das Ergebnis: Die Schüler in den „Holzklassen“ weisen im Laufe eines Tages durchschnittlich um 8600 Herzschläge weniger auf als ihre Kollegen in den konventionell eingerichteten Klassenräumen. „Der deutliche Unterschied ist schon überraschend“, gibt Studienleiter Maximilian Moser vom Joanneum-Research-Institut für Nichtinvasive Diagnostik und Professor an der Medizin-Uni in Graz, zu.

Schneller in den „Ferienmodus“. So ist zwar in beiden Klassentypen in der Früh bei den Schülern ein Anstieg der Herzfrequenz von bis zu 30 Schlägen pro Minute gegenüber dem „Ferienmodus“ festzustellen. Das ist auf das frühe Aufstehen zurückzuführen. In der Massivholzklasse pendelt sich der Puls aber schon am frühen Vormittag wieder auf das Ferienniveau ein, während in den Standardklassen die Herzfrequenz während des gesamten Schulvormittags und bis in den frühen Nachmittag über den in den Ferien gemessenen Werten liegt.

Einen deckungsgleichen Verlauf konnten die Forscher bei der Aktivität des Vagus-Hirnnervs feststellen, der wegen seiner herzschützenden Funktion als Stoffwechselregulator gilt: Die Herzen der „Holzklassen“-Kinder werden demnach signifikant weniger belastet als jene der Kinder in den Standardklassen. Auch in ihrer subjektiven Bewertung der Beanspruchung durch die Lehrer weichen die Antworten der Schülergruppen stark voneinander ab: Die „Holzklassen“-Schüler fühlen sich bereits ab Jänner wieder so entspannt wie in den Ferien, wobei die Mädchen noch stärker auf die beruhigende Wirkung der Holzumgebung ansprechen als die Burschen (die Daten der Lehrer werden von Moser erst ausgewertet). In den Standardklassen steigt das Anforderungsgefühl auch nach den Weihnachtsferien weiter an.

Trotz dieser deutlichen Ergebnisse wittert Studienleiter Moser noch Optimierungspotenzial, beispielsweise bei der Bestuhlung. Bürgermeister Resch ist auch so schon jetzt zufrieden: „Ein Hammer.“ Er erhofft sich einen Schneeballeffekt, nämlich, „dass die Kinder auch zuhause auf einen verstärkten Einsatz von Holz als Baustoff drängen.“ Und auch den Regierungsspitzen und vor allem der Unterrichtsministerin sollen die Studienergebnisse präsentiert werden – als Basis für die „Revolution“, die Resch erwartet.

In den Noten selbst spiegelt sich das angenehmere Lernumfeld allerdings nicht direkt wider. Aber durch die entspanntere Atmosphäre und die bessere Konzentrationsfähigkeit ist für die gleiche Leistung zumindest weniger Aufwand notwendig.

„Feng Schule“. Ebenfalls positiv auf die Leistung und das allgemeine Lernklima hat sich eine andere Maßnahme in der Sportmittelschule Bruckner in Graz ausgewirkt. Vor zwei Jahren wurden die Klassenräume nach Feng- Shui-Kriterien neu gestaltet. „Vor allem auf die richtige Farbe der Wände wurde Wert gelegt“, erklärt Direktor Michael Habjanic. Nüchtern-sterile Wandanstriche wichen warmen Orange-, Gelb- und Rottönen, auf jahreszeitlich abgestimmte Klassendekorationen mit Naturmaterialien wird seither verstärkt Wert gelegt.

Außerdem wurde im Rahmen des „Feng Schule“-Projekts des Schulstadtrats ein bis damals ungenutzter Innenhof zu einem Feng-Shui-Garten umgebaut. Eine Kräuterspirale, ein Biotop, gemütliche Sitzecken und Pflanzenbeete würden von den Schülern seither intensiv zum Lernen, Lesen und Relaxen genutzt, erklärt Habjanic. In dem Garten stößt sogar die Oberhoheit des Direktors an selbst gezogene Grenzen: „Für dieses Areal haben die Kinder die Verhaltensregeln selbst aufgestellt. Und sie schauen auch drauf, dass sie eingehalten werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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