Aufnahmeverfahren für Gymnasien: "Eine Themenverfehlung"

Neben den Volksschulzeugnisnoten sollen auch die Ergebnisse bei bereits bestehenden standardisierten Bildungstests ausschlaggebend sein.
Neben den Volksschulzeugnisnoten sollen auch die Ergebnisse bei bereits bestehenden standardisierten Bildungstests ausschlaggebend sein. (c) Clemens Fabry
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Bildungsminister Heinz Faßmann will Änderungen beim Schulwechsel. Die Opposition kritisiert "Retro-Pläne".

Wien. „Der Druck auf Volksschullehrer ist ungeheuer groß. Sie entscheiden mit ihrer Notengebung allein über die Aufnahme an der AHS. Das soll sich ändern. Ich bin für ein objektiveres Verfahren“: Mit diesen Worten in der „Presse am Sonntag“ stellte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) Änderungen beim Wechsel von der Volksschule ins Gymnasium in Aussicht. Neben dem Zeugnis, so der Bildungsminister, sollen künftig auch die Ergebnisse diverser standardisierter Bildungstests ausschlaggebend für die AHS-Berechtigung sein.

Diese Pläne stießen umgehend auf Widerstand. „Das hielte ich für gefährlich“, sagt etwa die Ex-Bildungsministerin und jetzige SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid im Gespräch mit der „Presse“. In diesem Alter dürfte es keine „punktuellen Stichtagstests“ geben – genau darauf würden die Überlegungen des Bildungsministers aber hinauslaufen.

Faßmann selbst sprach von einem Aufnahmeprozess. Neben den Volksschulzeugnisnoten sollen auch die Ergebnisse bei bereits bestehenden standardisierten Bildungstests ausschlaggebend sein. Konkret nannte der Minister die Informelle Kompetenzmessung (IKM) sowie die Bildungsstandards. Letztere werden derzeit in der vierten Klasse überprüft und müssten, wie der Minister sagte, um ein Jahr vorverschoben werden. Konkrete Pläne zu diesem Aufnahmeprozess gibt es im Ministerium zwar noch nicht. Doch bereits im Koalitionspakt ist die Ermöglichung von „temporären Eingangsverfahren für höhere Schulen“ festgeschrieben.

Bildungskompass statt Tests

Für Hammerschmid sind sowohl die Informellen Kompetenzmessung als auch die Bildungsstandards die „falschen Instrumente“, um die AHS-Eignung feststellen. Beide Tests seien nicht dafür konzipiert worden. Sie sollten einzig der Schulaufsicht und den Lehrern zur Evaluierung der Leistungen dienen. Kinder müssten, um die richtige Schule für sie zu finden, über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Deshalb spricht sich Hammerschmid für die Einführung eines Bildungskompasses aus. In diesem Portfolio soll die Bildungslaufbahn – beginnend beim Kindergarten – dokumentiert werden. Ein derartiger Bildungskompass wurde bereits von der rot-schwarzen Regierung versprochen. Umgesetzt wurde er allerdings nicht.

Wenig Anklang finden die Pläne des Bildungsministers auch bei den Neos: „Wir stehen den Retro-Plänen von Bildungsminister Faßmann überaus kritisch gegenüber. Das ist eine Themenverfehlung“, sagt Neos-Chef und -Bildungssprecher Matthias Strolz zur „Presse“. Es erhöhe den Druck auf Schüler und Eltern, wenn solche Tests bereits bei Achtjährigen Kindern durchgeführt würden.

„Weit weg von Schulrealität“

Sowohl Hammerschmid als auch Strolz kritisieren außerdem Faßmanns Aussagen zum Einsatz von Sozialarbeitern in Schulen. „Ich wüsste nicht, wie Sozialarbeiter in den Schulalltag integriert werden sollten. Man kann Probleme nicht einfach delegieren“, hatte der Minister im Interview gesagt. Er sehe vielmehr Lehrer, Schulaufsicht und Eltern gefordert.

Das zeige, so Strolz, „wie wenig er von moderner Bildungspolitik versteht“ Denn: „Nicht der Minister entscheidet, wie und in welchem Umfang Sozialarbeiter eingesetzt werden, sondern die Schulen selbst“. Hammerschmid sieht das ähnlich: „Da ist der Minister ganz weit weg von der Schulrealität, da muss er sich den Schulalltag einmal ansehen.“

AUF EINEN BLICK

Der Ruf nach Aufnahmeverfahren an Gymnasien wurde zuletzt des Öfteren laut. Zuerst sprach sich AHS-Direktorensprecherin Isabella Zins für solche aus. Danach folgte Niederösterreichs Bildungsdirektor Johann Heuras (ÖVP). Offenbar besteht nun, seit die türkis-blaue Regierung übernommen hat, die Hoffnung, dass derartige Schritte gesetzt werden. Nicht zu unrecht. Bereits im Koalitionspakt ist von einer Ermöglichung von „temporären Eingangsverfahren für höhere Schulen“ die Rede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2018)

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