Ende der Hassbotschaften in Schulbüchern

Ende Hassbotschaften Schulbuechern
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Griechenland und die Türkei wollen ihre Schulbücher nach abfälligen oder feindseligen Beschreibungen des jeweils anderen Landes durchpflügen. Weitere versöhnliche Gesten sollen folgen.

Trotz der Finanzkrise in Athen und der Verfassungskrise in Ankara wollen Griechenland und die Türkei in dieser Woche einen wichtigen und konkreten Schritt zur Überwindung ihrer langjährigen Rivalität einleiten. Dabei geht es weder um Milliardenkredite noch um Rüstungsausgaben - es geht um Schulbücher.

Beide Länder wollen nach türkischen Angaben damit aufhören, im Geschichtsunterricht wie bisher Hassbotschaften über den jeweiligen Nachbarn zu verbreiten. Eine entsprechende Vereinbarung soll während eines zweitägigen Besuches des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei seinem griechischen Kollegen George Papandreou am Freitag und Samstag in Athen unterzeichnet werden.

Die Griechenland-Reise eines türkischen Regierungschefs ist angesichts der langen Gesichte der Rivalität der beiden NATO-Partner immer etwas Besonderes. Doch Erdogans Besuch in Athen hat eine noch nie dagewesene Dimension: Der türkische Premier rückt mit seinem halben Kabinett in Griechenland an, zehn Minister werden ihn begleiten. Künftig soll es jedes Jahr ein solches Mammut-Treffen geben; die Fachminister sollen sich untereinander sogar zweimal jährlich treffen.

Für die beiden Regierungschefs bietet der Besuch die Chance, die innenpolitischen Krisen in ihren Ländern einen Augenblick zu vergessen und außenpolitisch zu glänzen. Papandreou mutet seinen Wählern heftige Einschnitte zu, um den Staatsbankrott zu vermeiden. Erdogan hat ein umstrittenes Paket von Verfassungsänderungen durchs Parlament gepeitscht und ist deshalb mit einer Verfassungsklage der Opposition und möglicherweise auch einem neuen Verbotsverfahren gegen seine Regierungspartei AKP konfrontiert.

Bedrohliche Nachbarn

In Athen wollen beide Premiers zeigen, dass sie trotz der diversen Krisen ihre historische Verantwortung kennen. Nach Angaben türkischer Diplomaten wollen sich beide Länder verpflichten, ihre Schulbücher für Grund- und Mittelschulen nach abfälligen oder feindseligen Beschreibungen des jeweils anderen Landes zu durchpflügen. In türkischen Lehrbüchern erscheint Griechenland immer noch als Gefahr für Zypern und für das türkische Staatsgebiet selbst; die Griechen in Griechenland und in der Türkei sowie die griechisch-orthodoxe Kirche werden ebenfalls als Bedrohungen beschrieben.

Vor Erdogans Besuch schickten beide Seiten vorsorglich versöhnliche Botschaften. Die türkische Presse berichtete breit über ein Versprechen der Griechen, nach Jahren des Zauderns endlich die erste Moschee Athens zu bauen. In der Türkei versprach Erdogans Vize Bülent Arinc, die Regierung werde alles für die Wiedereröffnung einer seit fast 40 Jahren geschlossenen orthodoxen Priesterschule in Istanbul tun. Nach unbestätigten Presseberichten erwägt Erdogan zudem, den in Istanbul residierenden Patriarchen der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomäus I., mit nach Athen zu nehmen.

Als netter Nachbar will Erdogan den Griechen auch Hilfe bei der Bewältigung der Finanzkrise anbieten, sich dabei aber nicht aufdrängen. "Wir sind zur Hilfe bereit, sei es mit technischer Expertise oder auf anderem Weg", sagte ein hochrangiger türkischer Diplomat. "Aber es liegt an den Griechen, um diese Hilfe zu bitten." Zur Vorbereitung des Besuchs schickte Erdogan seinen Wirtschaftsminister nach Athen.

Nach Meinung des türkischen EU-Ministers Egemen Bagis, der ebenfalls in Athen dabei sein wird, bietet die Krise in Griechenland die Chance, chronische Spannungen im türkisch-griechischen Verhältnis zu entschärfen. Bagis schlägt vor, die Militärpräsenz beider Länder in der Ägäis abzubauen. Das Wettrüsten mit der Türkei sei einer der Gründe für die griechische Schuldenkrise, sagte Bagis kürzlich. Der türkische Generalstabschef Ilker Basbug forderte die Griechen auf, ihren Kampfjets bei Flügen über der Ägäis künftig keine Waffen mehr mitzugeben. Die türkischen Flugzeuge sind demnach schon länger unbewaffnet unterwegs.

Direkte türkische Hilfen für die Griechen stehen nicht zur Debatte. Allerdings sehen einige griechische Unternehmen die Chance, sich durch ein Engagement im Wachstumsmarkt Türkei zu retten. So verdiente die größte griechische Bank, die National Bank of Greece, im vergangenen Jahr mehr Geld über ihre Finansbank-Filialen in der Türkei als zu Hause in Griechenland.

(APA)

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