Experte: Jeder fünfte Lehrer ungeeignet

Experte Jeder fuenfte Lehrer
Experte Jeder fuenfte Lehrer(c) Die Presse (Teresa ZÖTL)
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Wenn man die richtigen Personen ins Klassenzimmer bringen will, muss man schon viel früher ansetzen als dies derzeit passiert, sagt Bildungswissenschafter Johannes Mayr.

Eine Lehrerausbildung "kann kein Massenstudium sein", sagt Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Der Beruf soll nur noch aufgrund einer bewussten Entscheidung ergriffen werden, eine Eignungsprüfung und ein Aufnahmeverfahren sind in Planung. Seit fast zwanzig Jahren arbeitet der Bildungswissenschafter Johannes Mayr von der Universität Klagenfurt an Lösungen für das Problem, wie man die richtigen Lehrer in die Klassenzimmer bringt. Der Lehrerberuf sei ein anspruchsvoller, zugleich aber auch besonders befriedigender Beruf, sagt er - wenn die individuellen Voraussetzungen gegeben sind.

Dass die Voraussetzungen in vielen Fällen aber nicht ausreichen, erläutert Mayr im Gespräch mit DiePresse.com. Er schätzt die Zahl der ungeeigneten Pädagogen in Österreich auf zwanzig Prozent. Dabei sei die fachliche Eignung zu vernachlässigen: Das wichtigste wären persönliche Voraussetzungen wie psychische Stabilität und Kontaktfreudigkeit. Die zwanzig Prozent, die Mayr als "problematisch" bezeichnet, könnten nicht mit Konflikten umgehen, wären den psychischen Belastungen nicht gewachsen und würden schlecht kommunizieren.

Zwei Semester zur Feststellung der Eignung?

"Ambivalent" steht Mayr zu den jüngsten Äußerungen von Ministerin Schmied, die sich vorstellen kann, dass das "schrittweises Verfahren" zur Eignungsprüfung zwei Semester dauern könne - nämlich so lang wie die Studieneingangsphase bei der neuen Lehrerausbildung. Eine Orientierungsphase dürfe man nicht überstrapazieren, die Auseinendersetzung mit der Berufswahl müsse schon viel früher stattfinden, kritisiert Mayr.

Eignungsprüfung

Lehrer, die ihre Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen (PH) beginnen, müssen eine Aufnahmeprüfung machen. Lehrer, die an den Universitäten studieren, jedoch nicht. Das ist die derzeitige Situation, die Experten und das Unterrichtsministerium nicht befriedigt. Eignungsprüfungen sollen flächendeckend mit Beginn der neuen Lehrerausbildung (frühestens 2013) kommen.

Er empfielt deshalb, dass Programme wie das Selbsterkundungs-Angebot CCT schon in der Schule vorgestellt werden, etwa im Rahmen des Studienchecker. Denn: "Wenn jemand schon an der Uni ist, wird er nicht mehr so schnell umsteigen," sagt Mayr. Viele würden hartnäckig beim Lehramtsstudium, für das es keine Eignungsprüfung gibt, bleiben - auch, wenn sich schon zeige, dass es nicht das Richtige für sie sei. "Den akademischen Teil des Studiums bestehen sie auch meistens. Das Studium (an der Universität, Anm.) führt nicht dazu, dass die Ungeeigneten aussteigen," sagt der Bildungswissenschafter. Dafür müsse es sinnvolle Eignungsprüfungen geben. Denn auch im folgenden Unterrichtspraktikum (das ehemalige Probejahr) gebe es de facto keine Selektion.

»"Lehrer ist ein im Höchstmaß sozialer Beruf. Da sind Eignung und Neigung unverzichtbar."«

Bildungsministerin Claudia Schmied

Doch wie sehen gute Eignungsprüfungen aus? Wie erkennt man einen guten Lehrer? Im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen wird unter anderem ein Test verwendet, der ebenso einfach wie aussagekräftig ist: Man legt dem Bewerber eine einfache, kurze Geschichte auf den Tisch. Diese soll er spannend wiedergeben. Gute Lehrer beginnen, mit direkter Rede plastisch zu erzählen und Kontakt zu den Zuhörern herzustellen. Sie haben einen großen Wortschatz und können gut strukturieren. Das sind elementare Fähigkeiten, die sich während des Studiums kaum mehr aneignen lassen.

Wie auch immer eine künftige Eignungsprüfung aussehen mag: Sie muss auch den Spagat zum Problem des Lehrermangels schaffen. Um tatsächlich die am besten geeigneten Kandidaten in die Lehrerausbildung zu locken, muss der Beruf an sich attraktiver werden, sind sich die Experten einig. Über die Gehälter allein wird man das nicht schaffen können. In den Fokus müssen auch die Vorteile des Berufes rücken, das Spannende am Unterrichten. Dafür brauchen Lehrer aber auch Befugnisse und Schulen Autonomie, sagt Johannes Mayr. Und: Allein die Tatsache, dass die Eignung geprüft werde, habe eine motivierende Wirkung und werte den Beruf auf.

Online-Test

Ein Anfang für diejenigen, die am Lehrerberuf interessiert sind, ist das Online-Beratungstool "Career Counselling for Teachers (CCT)". Johannes Mayr vom Institut für Unterrichts- und Schulentwicklung an der Uni Klagenfurt entwickelte es zusammen mit einem internationalen Team, eingesetzt wird es von allen Pädagogischen Hochschulen in Österreich. In Deutschland ist es in manchen Bundesländern Pflicht, den Test vor der Anmeldung zur Lehrerausbildung zu absolvieren.

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