Kompromiss bei "Schulschwänzen" in Sicht

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Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) wäre mit einer Verdopplung der Höchststrafe für Schulpflichtverletzungen zufrieden. Ursprünglich hatte er eine Erhöhung von momentan 220 auf 1500 Euro gefordert.

Wien/Pri/Uw/Pö. In der Debatte um schärfere Sanktionen für Schulpflichtverletzungen bahnt sich ein Kompromiss in der Regierung an: Das Angebot der SPÖ – Verdoppelung der Höchststrafe von 220 Euro – ist für Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) „durchaus vorstellbar“, wie er am Mittwoch der „Presse“ sagt. „Damit würden wir zumindest signalisieren, dass ein Verstoß gegen die Schulpflicht kein Kavaliersdelikt ist.“ Ursprünglich hatte er – nach deutschem Vorbild – eine Anhebung auf 1500 Euro gefordert. Zu viel für die SPÖ.

Kurz beharrt aber auf Begleitmaßnahmen: Die Strafen müssten konsequent exekutiert werden. Eltern, deren Kinder die neunjährige Schulpflicht verletzen, sollten zu Gesprächen verpflichtet werden. Außerdem brauche es statistische Daten und eine Motivforschung.

Eine Einigung mit der SPÖ dürfte demnach nur noch eine Frage der Zeit sein. Denn das Maßnahmenpaket, das Unterrichtsministerin Claudia Schmied am Mittwoch vorlegte, entspricht in etwa Kurz' Forderungskatalog. Auch eine Valorisierung der Höchststrafe, die seit 1985 unverändert ist, erscheint Schmied als „denkbar“. Das entspräche einer Verdoppelung.

Elternsprechtag als „Muss“

Vor allem aber sollen die Verwaltungsbehörden, die für die Strafverfahren zuständig sind, sensibilisiert werden. Derzeit kommt es nämlich eher selten zu Strafen. Warum, erklärt Oliver Birbaumer, Öffentlichkeitsarbeiter bei den Magistratischen Bezirksämtern, so: Es fehle oft eine „Tat“ oder ausreichendes Verschulden. Ein häufiger Grund ist demnach, dass Familien wegziehen und die Abmeldung einfach vergessen. Auch psychische Erkrankungen des Kindes stecken öfter hinter Fehlstunden. Oder Überforderung: „Da geht es um die Alleinerziehende, die sich bemüht, aber hinter ihrem Rücken verlässt der Zwölfjährige die Schule.“

Bei Erstfällen, so Birbaumer, würden, wenn, dann Strafen zwischen 70 und 110 Euro verhängt, regelmäßig werde das Jugendamt beigezogen. Hartnäckige Fälle würden sich „von selbst“ erledigen: „Irgendwann ist die Schulpflicht aus.“

Für den Vorsitzenden des Verbandes der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen, Christian Morawek, ist Strafe nur der letzte Schritt: Davor müssten Gespräche von Eltern und Lehrern mit den Schülern stattfinden, eventuell auch mit Schulpsychologen und Jugendwohlfahrt: „Diese Möglichkeiten schöpfen wir nicht genug aus.“

Vor allem müsste früher eingeschritten werden: Lehrer sollten Eltern alarmieren, wenn Schüler nur wenige Male innerhalb eines Monats gefehlt haben – und nicht etwa erst Ende des Semesters. Der Elternvertreter ist auch für den Vorschlag von Schmied offen, dass die beiden Elternsprechtage im Jahr für die Erziehungsberechtigten verpflichtend sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2012)

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