Schulwerbung: Kritik an lukrativem Geschäft

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Aus Geldnot lassen Direktoren Werbung an ihren Schulen zu. Für die Werbewirtschaft ist es ein gutes Geschäft, Elternvertreter beklagen ein Versagen der Bildungspolitik.

Wien. Große Pause, Drängeleien vor Schulbuffet und Kaffeeautomat. An den Wänden hängen von den Schülern gestaltete Plakate – und dazwischen Werbung für Handyverträge und Fruchtsaft. An Schulen ist das heute fast die Regel. Für Eltern und Konsumentenschützer ist das aber problematisch.

„Werbung in der Schule ist immer eine Gratwanderung“, erklärt Schuldirektor Franz Asanger vom Gymnasium Petrinum in Linz. Trotzdem hat sich seine Schule dafür entschieden. Ein Plakat bringt etwa 500 Euro. Zusammen mit anderen Projekten nimmt die Schule 1000 Euro pro Jahr ein. „Damit kann man schon einiges anfangen.“ Bedenken kommen eher von Lehrern als von Schülern, erzählt Asanger. „Aber wir müssen auch wirtschaftlich denken.“ Auch in der HAK Polgarstraße in Wien hängen Plakate. Reich wird die Schule davon nicht. „Es reicht vielleicht für einen Beamer im Jahr“, schätzt Direktor Christian Posad.

Obwohl die Einnahmen oft nicht einmal im vierstelligen Bereich liegen, verkaufen Schulen ihre Wände als Werbefläche. In Zeiten von Budgetkürzungen eine Möglichkeit, zusätzlich Geld einzunehmen. Und auch die Wirtschaft hat das Potenzial von Schulmarketing erkannt. 863 Millionen Euro hatten Österreichs Jugendliche 2004 zur Verfügung. Seitdem gab es in Österreich dazu keine Studien, die Kaufkraft der Jungen dürfte aber wie in Deutschland gestiegen sein. Zusätzlich beeinflussen Jugendliche Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Eine ideale Zielgruppe also. Und wo könnte diese besser erreicht werden als in der Schule?

Das Unterrichtsministerium kommt der Werbewirtschaft entgegen. Seit dem Jahr 1997 ist es erlaubt, in Schulen zu werben, solange „die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule hierdurch nicht beeinträchtigt wird“. Das heißt im Klartext: Für Alkohol, Tabak, Sekten und politische Parteien darf nicht geworben werden. Ansonsten liegt die Entscheidung beim Schulleiter. „Wir lassen den Schulen ihre Spielräume“, heißt es aus dem Ministerium.

Elternvertreter: „Armutszeugnis“

Für Theodor Saverschel, Vorsitzender des Bundeselternverbandes mittlerer und höherer Schulen, ist diese Haltung allerdings kein Beweis für die Achtung der Schulautonomie sondern vielmehr ein „Armutszeugnis“. Die Finanzierung der Schulen sei Sache der öffentlichen Hand, Unterrichtsministerium und Länder dürfen nicht aus der Pflicht genommen werden, sagt Saverschel. Indem das Ministerium Werbung erlaubt, ziehe es sich selbst aus der Verantwortung.

Jurist Peter Kolba vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) hält das „Hineindringen von Werbung bis hinunter in die Volksschule“ aus einem anderen Grund für problematisch. Zwar erlaubt das Schulunterrichtsgesetz Werbung an Schulen – das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet aber die direkte Ansprache von Kindern. Kein Problem für das Ministerium: „Die Werbung richtet sich nicht an Schüler, sondern an die Eltern.“ Außerdem sei es Sache der Schuldirektoren, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. Diese nimmt auch Kolba nicht aus der Verantwortung: „Wirtschaft und Schulen sollen sich an die Gesetze halten, das heißt keine unlautere Werbung in Schulen.“ Vergangenes Jahr hat der VKI deshalb Maturareise-Anbieter geklagt, die an Schulen mit Alkohol „immer und überall“ warben.

„Dass Werbung für Alkohol an Schulen nichts verloren hat, muss man nicht extra betonen“, heißt es aus dem Ministerium. Aber wie sieht es mit Softdrinks und Handyverträgen aus? Zu Einzelfällen will man sich nicht äußern. „Die Schulleiter müssen nach ihrem eigenen Gespür entscheiden.“ Und wieder: Man könne eben nicht in die Schulautonomie eingreifen.

Entscheidung durch den SGA

Elternvertreter Saverschel sieht die Angelegenheit naturgemäß weniger locker. Er verurteilt keinen Direktor, der versucht, sein Schulbudget durch Werbung aufzubessern. „Aber wenn, dann nicht für Banken, sondern für Theater, Musikschulen und Sportvereine.“ Auch Kolba stößt sich an manchen Inhalten: „Es macht keinen Sinn, wenn im Turnsaal ein Transparent von McDonald's hängt. Schulen sollten ein neutraler Raum sein.“

Saverschel fordert daher, dass nicht die Direktoren, sondern der Schulgemeinschaftsausschuss aus Schüler-, Lehrer- und Elternvertretern entscheidet, wofür geworben werden darf. In Asangers Schule ist das bereits umgesetzt. „Wir besprechen alles im Schulgemeinschaftsausschuss. Es ist ein Balanceakt.“

Auf einen Blick

Das Schulunterrichtsgesetzerlaubt Werbung, solange die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler und die Aufgaben der Schule dadurch nicht beeinträchtigt werden. Daher darf für Alkohol, Tabak, Sekten und politische Parteien nicht geworben werden. Bei anderen Produkten entscheidet der Schulleiter. Das eingenommene Geld ist zweckgebunden, es muss in die Erhaltung des Gebäudes oder den Schulbetrieb gesteckt werden. Kritiker fordern, dass Bund und Länder die Schulen so finanzieren, dass diese keine Werbeeinnahmen brauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2012)

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