Schmied: Die Selbstinszenierung funktioniert nicht mehr

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Die Bildungsministerin leidet zusehends unter der Performance von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Die mediale Positionierung als „Reformministerin“ gelang ihr in den vergangenen Monaten immer schlechter.

Hartkirchen/Wien. SPÖ-Bezirksparteichef Erich Pilsner, salopp in Jeans, aber mit roter Krawatte, strahlt wegen seines hohen Gastes mit der Sonne um die Wette. Während die SPÖ-Ortsfunktionäre gegen zehn Uhr zur 1.-Mai-Feier eintreffen und sich noch mit Most und Speckbroten stärken, bestärkt Pilsner „seine“ Ministerin in Sachen Neuer Mittelschule und Ganztagsschule: „Man muss das durchziehen.“ Die Antwort von Claudia Schmied gibt Einblick, wie schwer ihr das seit Beginn ihrer Amtszeit im Jänner 2007 mit der ÖVP und den Lehrervertretern gefallen ist: „Die, die zufrieden sind, sind immer still und die, die matschkern, sind zu laut.“ Weil es aber beim Dienstrecht schon viel radikalere Vorschläge als ihre eigenen gibt, ergänzt Schmied im Spaß: „Die Lehrer werden mich noch lieben.“

Die Unterrichtsministerin ist der Stargast bei der 1.-Mai-Feier im oberösterreichischen Hartkirchen. Die örtliche Musikkapelle gibt mit dem Ruetz-Marsch das Zeichen zum Abmarsch. Rund 800 rote Basisfunktionäre machen sich auf den Umzug durch den Ort, dazwischen ein paar traditionelle roten Fahnen mit den drei Pfeilen, viele rote Polos und Nelken. Claudia Schmied ist viel lockerer als sonst. „Liebe Genossinnen, liebe Genossen“, hebt sie an, sie freue sich jetzt, der Einladung gefolgt zu sein. Um 5.30 Uhr vor dem Aufbruch in Wien war das noch nicht so. Sie klagt den Genossen und Genossinnen ihr Leid mit dem Koalitionspartner ÖVP: „Es ist sicherlich keine leichte Aufgabe, in der Bundesregierung, Bildungsreformen umzusetzen.“

Hauptkonkurrent Töchterle

Die mediale Positionierung als „Reformministerin“ (Selbstzuschreibung Schmied) gelang ihr in den vergangenen zwölf Monaten immer schlechter. Dass sich diese Zeitspanne ziemlich exakt mit der Amtsperiode von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle deckt, kommt nicht von ungefähr. Seit Töchterle am Minoritenplatz das Büro neben Schmied bezogen hat, gibt es kaum mehr Positives zu kommunizieren.

Das liegt weniger daran, dass die Bildungsreformen seither stärker ins Stocken geraten wären, als sie es ohnehin schon waren. Sondern vielmehr daran, dass Schmied die Partner zur großkoalitionären Selbstvermarktung abhandengekommen sind. Töchterle zeigt nur wenig Interesse am Paarlauf mit Schmied. Auch ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon taugt nicht mehr als Partner. Er hat sein Interesse inzwischen generell auf das Ausschusswesen verlagert, im Bildungsbereich ist es ruhig um ihn geworden.

Die Zeiten, in denen Schmied gemeinsam mit Vorgängerin Beatrix Karl „Frauenpower am Minoritenplatz“ beschworen hat, sind vorbei. Mehr noch: Zwischen Schmied und ihrem Gegenüber Töchterle herrscht de facto Eiszeit. Zu unterschiedlich sind nicht nur die politischen Vorhaben, sondern auch die Politikstile. Mit ihrer pragmatischen Herangehensweise, sich auf das – mit der ÖVP – „Machbare“ zu beschränken, dies aber dafür tatsächlich umzusetzen, stößt sie bei Töchterle an ihre Grenzen. Schmieds Neue Mittelschule (eine Schmalspurvariante der von der SPÖ eigentlich erträumten Gesamtschule) nennt Töchterle „ideenlos“; auf ihr Konzept, die Studiengebührenregelung zu reparieren, reagierte er nicht einmal. Zum großen Streitthema sind zuletzt die Lehrerausbildung, die beide Ressortchefs gern kontrollieren würden, sowie die Uni-Autonomie verkommen.

Denn Schmied fährt – in Abstimmung mit der Parteiführung – einen zunehmend härteren Kurs gegen den beliebten ÖVP-Minister. Die von Töchterle so gelobte Autonomie ist Schmied, die stärkere „Governance“ einfordert, schon lange ein Dorn im Auge. Vergangene Woche attackierte sie den Minister frontal: Es reiche nicht, immer mit dem Etikett „Autonomie“ zu winken und damit „die Unis in der Mangelwirtschaft alleinzulassen“, richtete sie ihm via „Standard“-Interview aus. Dass die beiden gemeinsam noch große Veränderungen anstoßen, kann ausgeschlossen werden.

Töchterle ist freilich nicht Schmieds einziger Kontrahent: Auch in Sachen Zentralmatura hat sie mit Widerstanden zu kämpfen – dort koalieren Lehrer, Eltern und Schüler gegen die Ministerin und ihre Reform. Vom endlos scheinenden Kampf gegen die Gewerkschaft – siehe Lehrerdienstrecht – ganz zu schweigen.

Mit der Zentralmatura und dem neuen Lehrerdienstrecht dürfte Schmied wohl auch ihre letzten Reformschritte setzen. Der Ex-Bankerin wird nicht nur scherzhaft immer wieder Sehnsucht nach einer Rückkehr in die Bankenwelt nachgesagt. Dass sie dem SPÖ-Team nach der nächsten Nationalratswahl nicht mehr angehören wird, gilt als so gut wie gesichert. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek werden bereits Ambitionen auf Schmieds Job nachgesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2012)

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