Zentralmatura: Einiges ist überall gleich

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Die Zentralmatura geht in Tschechien dieser Tage zum zweiten Mal über die Bühne - mit ähnlichen Zielsetzungen, vor allem aber mit ähnlichen Problemen wie in Österreich.

Prag. Am selben Tag, als der eben ernannte tschechische Unterrichtsminister Petr Fiala sein Amt antrat, betraten 103.000 Jugendliche nervös ihre Schulen. In Tschechien begann am 2. Mai der zweite Jahrgang die neue, gesamtstaatliche Reifeprüfung. Nach einer Anlaufzeit von 14 Jahren und geschätzten Kosten von 680 Millionen Kronen (zirka 27,2 Millionen Euro) ging die Zentralmatura 2011 erstmals über die Bühne. Vier strategische Ziele hatte man sich gesetzt: ein einheitliches Niveau, mehr Objektivität bei der Bewertung, besseren Zugang zu Hochschulen und mehr Augenmerk auf Allgemeinbildung.

Kritiker hingegen orteten unsinnige Bürokratie, bezweifelten die Sinnhaftigkeit des Vorhabens und wiesen auf die enorm angestiegene Anzahl an Durchgefallenen hin. Der vor Kurzem zurückgetretene Minister Josef Dobeš hatte die Zentralmatura gar als administrativen Moloch und überteuerten Unsinn bezeichnet. Schüler äußerten landesweit in Demonstrationen ihren Unmut. Befürworter, allen voran die staatliche Agentur Cermat, die vom Unterrichtsministerium mit Planung und Durchführung der Matura beauftragt wurde, stellten die Vorteile in den Vordergrund. Dennoch gab man Fehler zu, weshalb für heuer einige zentrale Elemente geändert wurden.

Hohes und niedriges Niveau

Damit auf die unterschiedlichen Profilierungen der einzelnen Mittelschulen eingegangen werden kann, besteht die Matura in Tschechien aus einem zentral vorgegebenen „staatlichen“ und einem schulinternen Teil. Letzteren definieren die Direktoren selbst, wobei das Ministerium nur einen Grundrahmen vorgibt, der eingehalten werden muss.

Um Befürchtungen bezüglich einer Nivellierung des Niveaus nach unten entgegenzuwirken, können Schüler zwischen einer „leichten“ und einer „schweren“ Variante der Matura wählen. „Im Vorjahr hatten einige Schulen gemeint, ihre eigene Matura sei schwerer und angesehener. Heuer haben wir keine solchen Argumente gehört,“ sagt ein Ministeriumssprecher.

Dennoch wählten im Vorjahr 96 Prozent der Schüler die einfachere Variante, was aber die teilweise extrem hohen Durchfallsquoten nicht senken konnte. Insgesamt 14,4 Prozent der Schüler bestanden die Matura nicht, an einigen Schulen betrug der Anteil gar 70 Prozent. Stark betroffen waren Mittelschulen mit Schwerpunkten wie Landwirtschaft oder Medizinwesen. Der Grund dafür liegt laut Ministerium bei den Lehrern und den Betreibern der Schule. Den betroffenen Schülern hilft dies selbstverständlich nicht. Zumindest haben es durchgefallene Schüler heuer einfacher. Sie müssen nicht mehr die gesamte Prüfung aus dem nicht bestandenen Fach absolvieren, sondern nur jenen Teil, in dem sie negativ abgeschnitten haben.

Auch bei den Wahlpflichtfächern (nur Tschechisch ist Pflichtfach) zeigte sich ein Trend, die scheinbar einfachste Variante zu wählen. Da die Matura in Mathematik aus nur einem Test besteht und nicht wie etwa bei Fremdsprachen aus mehreren Teiltests, ist das sonst unbeliebte Fach heuer populär. Immer weniger Schüler wählen Deutsch, heuer waren es nur noch 14 Prozent, gegenüber 83 Prozent Englischmaturanten.

Weniger Aufwand für Lehrer

Ein Teil der Lehrerschaft kritisiert weiterhin den hohen administrativen Aufwand, womit sich aber nicht alle identifizieren können. „Die Matura hat fast keine technischen Fehler, die Angaben kommen fix und fertig ausgedruckt in einer plombierten Kiste zu uns, und werden nur noch am Morgen der Prüfung geöffnet,“ erzählt Isabella Benischek, Direktorin des österreichischen Gymnasiums Prag. Ihre Schule ist ein Sonderfall, die Schüler legen sowohl die Matura in tschechischer Sprache als auch die österreichische Matura ab. Benischek wird bald die beiden Systeme direkt vergleichen können.

Weniger Aufwand für Lehrer und höhere Objektivität bei der Bewertung der Ergebnisse soll heuer auch eine neue Form der Korrektur bringen. Um zu verhindern, dass Lehrer bei einigen Schülern ein Auge zudrücken, werden externe, eigens geschulte Korrektoren die einzelnen Arbeiten auswerten.

Zuerst Protest, dann Akzeptanz

Die Schüler dürften sich indes damit abgefunden haben, dass die neue Matura Realität ist. Laut Anna Bromová von der Schülervereinigung „Studentenforum“ hatten die Schüler Angst, nicht ausreichend informiert zu werden. „Niemand hat ihnen gezeigt, wie die neue Matura aussehen wird, was teilweise zu Panik geführt hat.“ Dies war heuer anders, die Schüler informieren sich etwa auf der eigens eingerichteten Webseite „Nová maturita“ (Neue Matura).

Von Mangel an Interesse seitens der Schüler an der neuen Matura kann auf jeden Fall keine Rede sein. An zahlreichen Schulen absolvierten Schüler aus Vormaturajahrgängen eine Probeprüfung. Bei zehn Schülern des Prager Gymnasiums Opatov, die zur Matura noch zweieinhalb Jahre Zeit haben, lag das schlechteste Ergebnis bei 71,8 Prozent. Ob dies für das hohe Niveau des Gymnasiums oder das niedrige Niveau der Matura spricht, kann nicht gesagt werden.

2015 soll die E-Matura kommen

In den kommenden Jahren soll die Matura weiter modifiziert werden. Die Vorsitzende des Schulausschusses im Parlament, Anna Putnov, fordert, dass es künftig nur eine Niveaustufe und drei Pflichtfächer gibt. Ab 2015 soll die Prüfung in elektronischer Form abgehalten werden. Dies soll auch die Kosten senken. Allein heuer kostet die Matura 8,3 Millionen Euro, was angesichts des Sparkurses der Regierung und Einsparungen im Bildungsressort die Frage aufwirft, ob sich Tschechien derzeit eine teure Gesamtmatura leisten kann.

Ein Ziel wurde beim Projekt auf jeden Fall klar verfehlt: Entgegen den ursprünglichen Plänen ist die Zentralmatura kein einheitlicher Schlüssel zum Hochschulstudium. Nur an knapp zehn Fakultäten landesweit sind Maturazeugnisse Teil der Aufnahmekriterien.

Am Vortag der Matura kollabierte übrigens der Server „Nová maturita“ unter dem Ansturm von Maturanten. Immerhin eines ist in allen Ländern gleich: Wirklich Wichtiges erledigt man am Tag vor der Prüfung.

Auf einen Blick

In Tschechien hat die Regierung
14 Jahre lang an der Zentralmatura gefeilt, 27 Millionen Euro sind in das Projekt geflossen. 2011 startete die Matura mit einigen Problemen, die Regierung besserte nach. Die Eckpunkte der Prüfung: Die Fragen sind bei einem Teil zentral vorgegeben, ein zweiter Teil wird „schulintern“ zusammengestellt. Ausgewertet werden die Arbeiten von eigenen „Korrektoren“. Die Schüler können zwischen einer „leichten“ und einer „schwierigen“ Variante der Zentralmatura wählen. Das einzige Pflichtfach ist Tschechisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2012)

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