PISA: Jeder vierte Schüler kann nicht sinnerfassend lesen

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15 Prozent der 15/16-Jährigen sind in allen drei Bereichen Risikoschüler. Migranten schneiden erneut deutlich schlechter ab. Um die Chancengleichheit ist es in Österreich nicht gut bestellt.

Die PISA-Studie hat erneut gezeigt, dass Schüler in Österreich Schwierigkeiten beim Lesen haben. Die Zahl der sogenannten Risikoschüler ist dieses Mal noch höher als bisher: Demnach können 28 Prozent der 15/16-Jährigen nicht sinnerfassend lesen, bei den Burschen sind es gar 35 Prozent. Österreich liegt mit 470 Punkten deutlich unter dem OECD-Schnitt von 493 Punkten und damit auf Platz 31.

Von den OECD-Ländern liegen beim Lesen nur noch die Türkei, Chile und Mexiko hinter Österreich. Die höchste Punkteanzahl beim Lesen hat Südkorea mit 539 Punkten, gefolgt von Finnland und Kanada.

15 Prozent Risikoschüler

In der Mathematik haben 23 Prozent der österreichischen Jugendlichen sehr geringe Kompetenzen; das entspricht dem OECD-Schnitt, liegt aber weit über dem Anteil von Korea und Finnland (je acht Prozent). In Finnland und Korea sind es nur je sechs Prozent.

Besorgniserregend ist der Anteil der österreichischen Schüler, die in allen drei Kompetenzbereichen Risikoschüler sind. Insgesamt hat mehr als ein Drittel der Schüler (34 Prozent) in Österreich in zumindest einem Kompetenzbereich massive Defizite, acht Prozent haben in zwei Bereichen nicht einmal Basiskenntnisse.

"Da hat die Schule in allen grundlegenden Kulturtechniken die Mindeststandards nicht vermittelt", so Günter Haider, Direktor des für die Österreich-Tests zuständigen Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie).

Vergleich nur mit Vorsicht

Vergleicht man die Zahlen mit denen aus 2006, scheint PISA 2009 für Österreich einen veritablen Absturz bedeutet zu haben: Minus 20 Punkte im Haupttestgebiet "Lesen" (insgesamt 470 Punkte), minus neun Punkte in Mathematik (496) und minus 17 in den Naturwissenschaften (494).

Der Vergleich ist allerdings laut OECD nur "mit Vorbehalt" zu ziehen. Grund: Die Daten entsprächen zwar den technischen Standards der OECD, man könne aber nicht ausschließen, dass ein Boykottaufruf während der ersten Testwoche die Schüler demotiviert bzw. die Rahmenbedingungen verschlechtert haben könnte.

Migranten deutlich schlechter

Besonders schlecht haben dieses Jahr wieder Kinder mit Migrationshintergrund abgeschnitten: Beim Lesen erzielten Einheimische (mindestens ein Elternteil schon in Österreich geboren) 482 Punkte, Migranten der zweiten Generation (Kinder in Österreich geboren) 427 Punkte und Migranten erster Generation (Kinder im Ausland geboren) 384 Punkte.

Mit einer Leistungsdifferenz von 68 Punkten gehört Österreich neben Italien (72) und Belgien (ebenfalls 68) zu den drei OECD-Ländern mit den größten Leistungsunterschieden zwischen Einheimischen und Migranten.

Wenig Chancengleichheit in Österreich

Die Zahlen relativieren sich etwas, wenn man den sozioökonomischen Hintergrund miteinbezieht: Vergleicht man Einheimische und Migranten mit gleichem Sozialstatus, schneiden die Einheimischen nur mehr um 45 Punkte besser ab, ein Drittel fällt also weg.

Sozioökomisch besonders schlecht gestellte Schüler erreichen in Österreich beim Lesen um 102 Punkte weniger als sozioökonomisch besonders gut gestellte. Das entspricht ungefähr der Leistung von zwei Schuljahren und liegt deutlich über dem OECD-Schnitt (89 Punkte).

Auch die Schulen prägen die Leistungen maßgeblich. So beträgt der Unterschied zwischen zwei Schülern, die in einer Schule des selben Schultyps in günstigem oder ungünstigem Umfeld unterrichtet werden, bis zu mehr als hundert Pisa-Punkten.

PISA 2009

Weltweit nahmen im April und Mai 2009 rund 470.000 Schüler aus 65 Ländern (34 OECD-Staaten und 31 "Partnerländer") an den Tests in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften teil. Schwerpunktthema war diesmal Lesen, damit wurde erstmals eine Kompetenz erneut abgeprüft (Lesen war bereits 2000 Schwerpunktthema). Aus Österreich wurde rund 6600 Schüler des Jahrgangs 1993 an rund 280 Schulen getestet. Mehr: Zehn Fragen zu PISA.

Wenig Lust am Lesen

Die Leseschwäche kann auch mit fehlendem Lesevergnügen begründet werden: Laut PISA liest die Hälfte der Jugendlichen niemals in der Freizeit zum Vergnügen. Während 39 Prozent der Mädchen angeben, nie zum Vergnügen zu lesen, liegt der Wert bei den Burschen sogar bei 61 Prozent. Nur die niederländischen Burschen verweigern sich dem Lesen noch stärker (64 Prozent), wie eine Detailauswertung der PISA-Studie zeigt.

Im Jahr 2000 gaben noch 44 Prozent der Jugendlichen an, nicht zum Vergnügen zu lesen (31 Prozent Mädchen und 55 Prozent Burschen). In der Testphase 2009 las bereits die Hälfte nur, "wenn sie muss" oder um Informationen zu erhalten, "die sie brauchen" (53). Mehr als ein Drittel der Jugendlichen hält das Lesen für Zeitverschwendung..

PISA-Gewinner ist Fernost

Die größten Gewinner des PISA-Tests 2009 sind die fernöstlichen Staaten. Bester OECD-Staat ist Südkorea. Beachtet man alle teilnehmenden Länder, dann haben es Shanghai, Korea, Hongkong und Singapur in die Top fünf der Tabelle geschafft.

Finnland ist das einzige europäische Land, das hier (auf Platz zwei) zu finden ist. Deutschland hat sich leicht verbessert, bleibt aber dennoch nur im Durchschnitt (mehr internationale Ergebnisse).

(APA/Red.)

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