Die Lehren aus dem rot-weiß-roten PISA-Debakel

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Das österreichische PISA-Ergebnis zeigt gravierende Fehler im heimischen Schulsystem auf: Migranten und sozial Schwache sind benachteiligt.

Auch wenn es angesichts der neu entfachten Diskussion um die Gesamtschule nicht so scheint: Der PISA-Test kann keine Aussagen über die Leistungsfähigkeit einzelner Schultypen in Österreich – sei es Gymnasium oder Hauptschule – treffen. Das wissen die PISA-Macher, und sie sagen das auch. Was der Test bietet: einen internationalen Vergleich von Schülerleistungen, eine Kompetenzmessung quasi.

Und bei dieser ist Österreich abgestürzt. Während asiatische Staaten davonziehen und andere europäische Länder aufholen, ist Österreich vor allem beim Schwerpunkt „Lesekompetenz“ auf den viertletzten Platz gerutscht (Details siehe Grafik). In Finnland ist der durchschnittliche Schüler besser als unsere besten. Welche Lehren die Politik aus dem Absturz ziehen kann, zeigt ein Blick auf die Daten.

Problemgruppe Migranten.

Die Politik ist bemüht, keine Ausländerdebatte aufkommen zu lassen. Die Migranten seien „nicht schuld“ am schlechten Abschneiden, lautet die Sprachregelung. Allein: Ganz richtig ist das nicht, wie der Blick auf die (stetig wachsende) „Risikogruppe“ zeigt (34 Prozent schneiden in allen drei Bereichen sehr schlecht ab). Zwar sind drei Viertel dieser Risikoschüler Einheimische, 25 Prozent entfallen auf Migranten. Diese zeigen sich damit dennoch überrepräsentiert: Ihr Anteil an der Gesamtgruppe beträgt lediglich 15 Prozent.

Augenfällig ist die große Leistungsdifferenz: Während einheimische Schüler beim Lesen auf 482 Punkte kamen, erreichten Migranten der zweiten Generation 427 Punkte. Die Migranten erster Generation fielen mit nur 384 Punkten sogar hinter jene der zweiten Generation zurück. Damit ist der Leistungsunterschied so groß wie in keinem anderen Staat. In Kanada etwa schnitten alle Gruppen – auf hohem Niveau – annähernd gleich gut ab. Die Fehler seien in der heimischen Integrationspolitik zu suchen, sagt auch Schulministerin Claudia Schmied. „Wir haben uns lange Zeit herumgedrückt.“

Soziale Selektion.

Dass viele Migranten in die Risikogruppe fallen, hat nicht nur mit dem Migrationshintergrund zu tun, sondern auch mit ihrem sozioökonomischen Hintergrund. Bildung wird in Österreich vererbt. Während Akademikerkinder beim Lesen bis zu 520 Punkte erreichen, kommen Kinder, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, auf nur 399 Punkte. In Naturwissenschaften und Mathematik ist es ähnlich.

Die SPÖ und der „PISA-Erfinder“ der OECD, Andreas Schleicher, gründen darauf ihr Plädoyer für die Gesamtschule der Zehn- bis 14-Jährigen. Eine Meinung, die nicht jeder teilt: Es gehe nicht darum, die Differenzierung zwischen besseren und schlechteren Schülern aufzuheben. Sondern darum, „mehr für die Benachteiligten zu tun“, sagt Bildungsforscher Stefan Hopmann (Uni Wien): „Entscheidend ist nicht die Oberflächenstruktur des Systems, sondern die Verteilung von Unterrichtsangeboten.“ Soll heißen: Wer Leistung bringen kann, muss die Chance darauf haben, unabhängig vom sozialen Stand. Dass die PISA-Sieger großteils Gesamtschulländer sind, sei kein Argument, sagt Hopmann: Es gebe schlicht mehr Gesamtschulländer.

Neue Lehrmethoden.

Auch dass in Österreich überdurchschnittlich große Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Burschen bestehen – Erstere siegen beim Lesen, Zweitere in der Mathematik –, zeigt, dass sich Reformen vor allem um die Vermittlung von Inhalten drehen sollten. Nicht zuletzt wirken Reformen, die bessere Lehrinhalte und mehr Eigenverantwortung der Lehrer zum Ziel haben, rascher. Das besagt eine internationale Studie des Unternehmensberaters McKinsey. Maßnahmen, die schwerpunktmäßig Strukturen veränderten, „trugen seltener zum Erfolg bei“.

("Die Presse" Print-Ausgabe, 9. Dezember 2010)

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