Schulen sollen schon bald Türkisch als zweite lebende Fremdsprache anbieten, die Uni Graz erarbeitet derzeit die Studienpläne. Die Regierung will das aus Angst vor Widerständen nicht wirklich publik machen.
Wien. Schon bald dürfte Türkisch an so mancher heimischen Schule zum Maturafach werden: Die Sprache soll als zweite lebende Fremdsprache in den Fächerkanon übernommen werden – so das Vorhaben von SPÖ und ÖVP. Offizielle Statements will derzeit zwar keiner der beiden Koalitionspartner abgeben. Man habe mit den anstehenden Reformen – von der Neuen Mittelschule bis zum Kurssystem in der Oberstufe – „genügend Bälle in der Luft“, heißt es.
Das ist wohl nur ein Teil der Wahrheit: Vielmehr ist der Ausbau des Türkisch-Unterrichts vor allem ein politisch heikles Thema, mit dem sich keiner der Koalitionspartner derzeit an die Öffentlichkeit traut. Und das, obwohl die Uni Graz bereits konkret an der Umsetzung des Lehramts Türkisch arbeitet, das es österreichweit derzeit an keiner Hochschule gibt. Bis zum Studienjahr 2012/13 solle das neue Studium stehen, heißt es auch aus Regierungskreisen.
Die derzeit wohl größte Hürde für die Universität Graz: „Türkisch als lebende Fremdsprache in den Fächerkanon aufzunehmen, ist ein politisch schwieriger Akt“, so Theres Hinterleitner, Dekanatsleiterin der mit der Ausarbeitung betrauten Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Uni Graz. So kämen derzeit auch die Arbeiten an den Studienplänen ins Stocken: Schriftliche Zusagen von Ministerin Claudia Schmied dürfte es zwar bereits geben. Nun warte man aber auch auf offizielles „grünes Licht aus Wien“, sagt Hinterleitner.
Der Türkisch-Unterricht in den höheren Schulen solle „integrationsunterstützend“ wirken, heißt es an der Uni Graz – immerhin leben laut Statistik Austria eine Viertelmillion Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Österreich. „Vor allem Migranten der zweiten oder dritten Generation können zwar Türkisch sprechen, aber nicht mehr lesen und schreiben“, so Hinterleitner. Dass viele nicht einmal ihre eigene Bildungssprache beherrschen, führe nicht zuletzt dazu, dass sie leichter und früher aus dem Schulsystem fallen. Auch österreichische Schüler wolle man ansprechen – schließlich werde die türkische Sprache immer wichtiger.
Zweisprachige Schule gescheitert
Bereits derzeit gibt es an einigen Hochschulen Projekte, die Lehrern bei der Integration von Migranten und beim Überwinden von kulturellen Barrieren helfen sollen: Die Pädagogische Hochschule Vorarlberg bietet das Seminar „Begegnung mit türkischer Sprache, Kultur und Institutionen“ an, an der PH Wien können Studierende im Zuge des Projekts „PH goes East“ seit November 2009 osteuropäische Sprachen lernen und sich mit Länder- und Kulturkunde befassen– darunter eben auch der türkischen. Die Uni Graz entwickelt einen zweijährigen Master zu türkischer Sprache und Kultur.
Von bilingualer Schulausbildung ist man anders als mancherorts in Deutschland (siehe nebenstehenden Artikel) überhaupt weit entfernt: Wien hat es zwar einmal mit türkisch-deutschen Klassen versucht – in der Europaschule im 20. Bezirk, vom Schuljahr 2001/02 bis zum Schuljahr 2004/05. Nachdem ein Volksschuljahrgang die Schule durchlaufen hatte, wurde die bilinguale Ausrichtung der Schule wieder abgeschafft – wegen mangelnder Nachfrage. Weder die deutsch- noch die türkischsprachigen Eltern hätten das Modell angenommen. Laut Stadtschulrat gibt es derzeit keine neuen Pläne.
Auf einen Blick
Die Koalition plant die Einführung von Türkisch als zweite lebende Fremdsprache im Fächerkanon der höheren Schulen. Die Uni Graz arbeitet bereits an der Umsetzung des dazugehörigen Studiums. Bis 2012/13 könnten die Studienpläne stehen.
Für Bosnisch-Serbisch-Kroatisch ist ein ähnlicher Schulversuch in Wien angelaufen. Wie die „Wiener Zeitung“ berichtete, werden die Sprachen an der AHS Henriettenplatz und an der Handelsakademie des bfi ab dem Schuljahr 2011/12 als zweite lebende Fremdsprache eingeführt. Auch die Matura kann in dem Fach abgelegt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2011)