Schmid contra Androsch: "Gleiche Spielregeln für das Gymnasium"

Schmid contra Androsch Gleiche
Schmid contra Androsch Gleiche(c) Teresa Zoetl
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Der harte Kern der Forderungen sei die Gesamtschule, kritisiert der ehemalige Popper-Direktor Günter Schmid. Das österreichische Bidlungswesen sei prinzipiell durchaus gesund.

Die Presse: Sie kämpfen als Sprecher der Plattform „Leistung & Vielfalt“ für eine Verbesserung des Bildungssystems, das Androsch-Volksbegehren tut das ebenfalls. Warum wollen Sie das Volksbegehren nicht unterzeichnen?

Günter Schmid: Das, was am Androsch-Volksbegehren unterstützenswert ist – und das ist einiges –, das sind lauter uralte No-na-Forderungen, zu denen kein vernünftiger Mensch Nein sagen könnte. Und die vor allem von der Lehrerschaft seit ewigen Zeiten erhoben worden sind. Der positive Teil des Volksbegehrens ist redundant, weil selbstverständlich, und war leider in Österreich bisher nicht erreichbar. Der harte Kern dieses Volksbegehrens ist die Forderung nach der Gesamtschule, und die würde eine dramatische Verschlechterung unseres Bildungswesens herbeiführen. Deswegen müssen wir dagegen aktiv und offensiv auftreten.


Sie sind also gegen einen von insgesamt zwölf Punkten im Volksbegehren.

Dieser eine Punkt, der Kernpunkt, ist versteckt und getarnt hinter, wie ich sagte, No-na-Forderungen, sodass bei flüchtiger Lektüre jeder wohlmeinende Mensch geneigt ist zu sagen: Wunderbar, das unterstütze ich. Dieser eine Punkt ist für viele Nichtinsider scheinbar nicht relevant.


Sie meinen jenen Punkt, nach dem die „Trennung der Kinder nach ihren Begabungen erstmals nach Ende der Schulpflicht“ erfolgen soll.


Das ist hier verbal gut getarnt. Androsch scheut sich aus guten Gründen, das Wort Gesamtschule auszusprechen.


Die Befürworter der Gesamtschule sagen, sie wollen mit der späteren Trennung die Bildungsreserven der jungen Bevölkerung mobilisieren. Auch Sie wollen in der Bildung mobilisieren.

Selbstverständlich. Es ist aber nicht nachzuvollziehen, inwiefern durch eine Verschlechterung der Lernsituation für alle die Reserven mobilisiert werden sollten. Denn der gemeinsame Unterricht aller Kinder bedeutet, dass kein Kind wirklich begabungsadäquat optimal gefördert werden kann, weder die besonders Leistungsfähigen noch die weniger Leistungsfähigen.


Sie waren Direktor der Popper-Schule, eines speziellen Gymnasiums für Begabte. Aber dieses setzt auch erst mit 15 Jahren ein.


Es war damals, als 1998 die Schule gegen heftigste politische Widerstände ins Leben gerufen wurde, gar nicht anders möglich. Nach und nach sind wir aber draufgekommen, dass es auch pädagogische Gründe gibt, die das rechtfertigen.


Was sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung des österreichischen Schulwesens?

Einerseits die Verbesserung und optimale Förderung der Hauptschule, egal, unter welchem Namen, nennen wir sie ruhig Neue Mittelschule. Alles, was zur Verbesserung der Hauptschule dient, ist zu befürworten. Aber natürlich gleiche Spielregeln für das Gymnasium, das heißt: Die Einhaltung der Klassenschülerhöchstzahl ist nicht wie derzeit auf die Neue Mittelschule zu beschränken. Und die Pädagogik an allen Schulformen ist zu verbessern. Da gibt es viel Verbesserungsbedarf. Da ich in der Lehrerfortbildung sehr aktiv bin, weiß ich, dass auf allen Ebenen nachzulegen wäre.


Wie steht Ihrer Meinung nach Österreichs Schulwesen im internationalen Vergleich da?

Um sehr viel besser, als es die Pisa-Studie und die Politiker behaupten. Wenn man die Leistungen nur des Gymnasiums aus den Pisa-Ergebnissen herausschält – diese werden ja geheim gehalten –, dann steht Österreich sehr weit oben. Unser Schulwesen ist prinzipiell gut.


Aber es ist doch offensichtlich, dass einiges im Argen liegt.

Was verbessert gehört, sind die Rahmenbedingungen, z. B. der Status der Lehrerinnen und Lehrer. Wenn man sich die Wertschätzung für Lehrer in Finnland anschaut und das mit dem in Österreich üblichen Lehrerbashing vergleicht, dann gibt es hier Handlungsbedarf. In der Ausbildung der Lehrer findet man Defizite in der Begabungsförderung, das orte ich in meinen Veranstaltungen, egal, ob vor Volksschul-, Hauptschul- oder Gymnasiallehrern. Da stelle ich fest, dass sie wichtige Dinge oft noch nie gehört haben. Noch sind wir, zumindest eine kleine Gruppe, im europäischen Spitzenfeld vertreten und werden zu Enqueten eingeladen. Zu Ihrer Frage: Das österreichische Bildungswesen ist verbesserungswürdig, verbesserungsbar, aber durchaus prinzipiell gesund.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2011)

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