Androsch startet sein Volksbegehren mit Finanzproblemen

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Die Eintragungsfrist für das Bildungsvolksbegehren läuft. Der Initiator kann sich seines Erfolges noch nicht sicher sein. Hannes Androsch kämpft – von den Inhalten bis zur Finanzierung – an mehreren Fronten.

Wien. Lange Zeit war es medial eher still geworden um Hannes Androsch und sein groß angekündigtes Volksbegehren. Nun startet die Bildungsinitiative, die sich rund um den früheren SPÖ-Vizekanzler gebildet hat, das Finale ihrer Kampagne: Unterstützer von Karlheinz Hackl bis Alfons Haider versammeln sich zum gemeinsamen Appell vor dem Parlament. Ein als Neandertaler verkleideter Schauspieler macht (vor allem zum Gaudium der Boulevardmedien) auf die „Bildungssteinzeit“ aufmerksam. Und im Fernsehen erklären Prominente, warum sie (gemäß des Slogans des Begehrens) „Aufstehen und Hingehen“. Am heutigen Donnerstag beginnt die Eintragungswoche (siehe Faktenkasten).

Dass das Volksbegehren – nach anfänglicher Euphorie – unter keinem allzu guten Stern stand, darüber können aber auch die vielfältigen PR-Maßnahmen nicht mehr hinwegtäuschen. Androsch, der bereits im Herbst 2010 mit der Idee des Volksbegehrens an die Öffentlichkeit ging, kämpft seither – von den Inhalten bis zur Finanzierung – an mehreren Fronten.

Nur eine Million Euro für Werbung

Das größte Problem der Initiative war von Beginn an das Bestreben, möglichst viele Unterstützer aus den unterschiedlichen politischen Lagern für sich zu gewinnen: Statt kantiger Forderungen präsentierte Androsch – nach zahllosen Vernetzungstreffen und Debatten – zwölf Punkte, die als „Minimalkonsens“ übrig geblieben waren. Etwa den Wunsch nach Ganztagsschulen, nach dem Ende des Sitzenbleibens und der Aufwertung des Lehrerberufs. Die Gesamtschule hingegen findet sich ebenso wenig im Volksbegehren wie die Studiengebühren.Das Ausbleiben namhafter Unterstützer wurde für Androsch rasch auch zum finanziellen Problem. Von den erhofften 2,5 Millionen Euro konnte er nach eigenen Angaben nur 50 Prozent einwerben. Geld kommt unter anderem von der Industrie. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hingegen ließ Androsch abblitzen – er setzt auf den selbst ins Leben gerufenen „Bildungsdialog“ mit der Politik.

Grüne als große Unterstützer

Androsch musste die breit angelegte Werbekampagne also „eindampfen“, wie es aus seinem Büro heißt. Man designte eine Kampagne, die wenig kostet. Bürger wurden dazu aufgerufen, ihre Unterstützung mit selbst gedrehten Handyvideos zu dokumentieren. Verlassen musste man sich zuletzt auch auf die Tatkraft der rund 80 (teils Kleinst-)Organisationen, die das Begehren unterstützen. „Ohne deren Veranstaltungen, Mails und Newsletter wäre vieles nicht möglich gewesen“, so Gesamtkoordinatorin Ingrid Vogl zur „Presse“. Vor allem Grüne und Kinderfreunde machen Stimmung.

Seine eigene Partei, die SPÖ, hat Androsch im Laufe der vergangenen Monate zunehmend verärgert. Mit seiner teils harschen Kritik an der Bildungspolitik der Regierung nahm er bewusst auch die rote Unterrichtsministerin Claudia Schmied ins Visier. Was im Ministerium nicht jedem gefiel – vor allem der Ministerin selbst nicht.

Kurz vor dem Start des Volksbegehrens, der für viele (knapp ein Jahr nach dessen Ankündigung) zu spät kommt, scheinen die Unstimmigkeiten aber ausgeräumt: Die Ministerin wolle das Begehren jedenfalls unterschreiben, heißt es auf Nachfrage. Androschs Initiative habe „große Dynamik für die Bildungsreform gebracht“, so die Ministerin. So habe Androsch „die Stimmung für die flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule aufbereitet“.

Begehren oft ohne Konsequenzen

In der Bevölkerung scheint sich die Begeisterung eher in Grenzen zu halten. Die Zahl der Unterstützungserklärungen blieb mit nicht einmal 52.000 deutlich hinter Androschs Erwartungen zurück. Laut einer OGM-Umfrage wollen auch kommende Woche nur rund neun Prozent der Österreicher sicher unterschreiben. Androsch ist sich der Gefahr zu scheitern bewusst: Wie viele Unterschriften er sich erhofft, will er bis heute nicht sagen. Nur so viel: Wenn er zehn Prozent der Bevölkerung erreiche, sei das jedenfalls ein Erfolg.

Sicher ist nur, dass Androsch mindestens 100.000 Unterschriften benötigt, damit die Initiative im Nationalrat zumindest behandelt wird. Das heißt nicht, dass Gesetzesbeschlüsse folgen. Denn selbst das bisher erfolgreichste Volksbegehren blieb ohne Konsequenzen: 1982 stimmten mehr als 1,3 Millionen Österreicher und damit fast 26 Prozent der Wahlberechtigten gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums. Es wurde trotzdem errichtet. Auf Platz zwei der erfolgreichsten Volksbegehren steht die Initiative gegen Gentechnik: Mehr als 21 Prozent der wahlberechtigten Österreicher haben 1997 unterschrieben.

Am wenigsten erfolgreich war bisher übrigens das „Pro Motorrad“-Volksbegehren. Nur 1,3 Prozent der Österreicher stimmten im Jahr 1995 für eine „gerechte Besteuerung“ von Kraftfahrzeugen.

Auf einen Blick

Das Volksbegehren läuft von 3. bis 10. November. Unterschreiben können alle Österreicher ab dem Alter von 16 Jahren mit Hauptwohnsitz in Österreich. Eintragungslokale sind Gemeinde- und magistratische Bezirksämter, die während der Woche von 8 bis 16 Uhr (sowie zwei Mal zusätzlich bis 20 Uhr) geöffnet haben müssen. Ein amtlicher Lichtbildausweis ist mitzubringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2011)

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