Reformwille: Bunte Koalition für Bildungsvolksbegehren

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Rund um Hannes Androsch haben sich Gruppen versammelt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie breit die Unterstützung für das Volksbegehren in der Bevölkerung wirklich ist, wird sich in sechs Tagen weisen.

Wien. Der angekündigte „kräftige Herbststurm“ blieb in den Bezirks- und Gemeindeämtern am Freitag aus. Es war eher ein lauer Wind, der zu verspüren war: Über den Tag verteilt haben sich zwar laufend Unterstützungswillige auf den Gemeindeämtern eingefunden. Anstellen musste sich aber niemand, der für das Bildungsvolksbegehren unterschreiben wollte. Konkrete Zahlen der bisher abgegebenen Unterschriften wollen die Gemeindeämter noch nicht bekannt geben – erst am Ende der Eintragungswoche werde die endgültige Zahl verlautbart.

Eines zumindest steht fest: An öffentlichen Sympathiebekundungen mangelt es Ex-SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch nicht. Seit Beginn der Eintragungsfrist haben zahlreiche Personen aus den unterschiedlichsten Lagern und mit den unterschiedlichsten Motiven ihre Unterstützung bekannt gegeben. Es scheint en vogue, das Volksbegehren zu unterstützen.

Was alle Unterstützer zu verbinden scheint, ist der Wille nach Veränderung. Es sei Zeit für grundlegende Reformen im Bildungsbereich, so der Tenor. Vom Katholischen Familienverband über die Kärntner Sozialpartner bis hin zur generell kritischen Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) haben in den vergangenen Tagen auch viele Organisationen ihre Unterstützung zugesagt, von denen dies bislang nicht zu erwarten war. Auch einzelne ÖVP-Politiker, etwa Europa-Abgeordneter Othmar Karas, haben ihre Unterschrift angekündigt. Bereits unterschrieben hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ).

Ganz im Gegensatz zu Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Er wolle kein Begehren an sich selbst unterschreiben, so seine Argumentation. Noch zu seiner Zeit als Rektor der Uni Innsbruck war er einer der Ersten, der auf der Homepage des Volksbegehrens seine Unterstützung bekundete.

Ist der „nationale Schulterschluss“ – wie ihn Hannes Androsch bei seinen zahlreichen Auftritten gefordert hat – also geglückt? Man könnte fast den Eindruck gewinnen. Wie groß der Rückhalt innerhalb der Bevölkerung tatsächlich ist, wird aber erst am 10.November feststehen. Denn das Volksbegehren verfolgt auch konkrete Anliegen, die nicht jeder teilt. Zu den zentralen Forderungen zählen etwa die Einführung einer „gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen“ sowie einer Ganztagsschule, die Ausweitung der Schulautonomie und ein Ende der parteipolitischen Einflussnahme auf das Schulwesen.

Außerdem im Forderungskatalog: die universitäre Ausbildung aller Lehrer und Elementarpädagogen und die Abschaffung des „Sitzenbleibens“. Gefordert wird zudem eine deutliche Erhöhung der Bildungsausgaben – konkret soll bis ins Jahr 2020 das Budget für Hochschulen und Universitäten auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ausgedehnt werden.

Trommeln fürs Volksbegehren

Um zu beweisen, dass die Forderungen auch den Rückhalt der Bevölkerung genießen, zählt jetzt jede Stimme: Die Kampagnenarbeit des Teams rund um Androsch läuft auf Hochtouren. Dabei ist man vor allem auf die Hilfe der unterstützenden Organisationen angewiesen: Die Grünen verteilen österreichweit vor Kindergärten Informationsmaterial, die SPÖ Wien und andere Landesorganisationen vor den Magistraten und den Bezirksämtern. Vor den Universitäten wird für die Bildung getrommelt – Percussion-Künstler machen die Studierenden lautstark auf das Volksbegehren aufmerksam. Diese dürften aber ohnehin schon gut informiert sein – auf Beschluss der Universitätenkonferenz haben die Rektoren bereits Info-Mails ausgeschickt.

Bei den Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens ist man mit dem Start der Eintragungswoche zufrieden: Auf der Homepage hat man gestern, Donnerstag, einen Anstieg auf über 100.000 Clicks verzeichnet, was als „Zeichen aktiven Interesses“ gewertet werden könne. Auch die Unterstützergruppe auf Facebook hat in den vergangenen Tagen regen Zulauf erfahren, 5194 Personen sind „Fans“ des Bildungsvolksbegehrens. Und die Zahl der Einsendungen der „Aufstehen und Hingehen“-Videos würde täglich steigen, sagen die Initiatoren.

Lehrervertreter auf Kollisionskurs

Inhaltlich interessant wird es rund um das Volksbegehren noch einmal zu Beginn der nächsten Woche. Zeitgleich mit den letzten Tagen der Eintragungswoche findet auch der all fünf Jahre abgehaltene Kongress der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) statt, in der auch die Lehrer vertreten sind. Dass sich Fritz Neugebauer erneut der Wahl als Vorsitzender stellen wird, stößt jenen Lehrern, die das Volksbegehren aktiv unterstützen, sauer auf. Sie bezeichnen Neugebauer als „einen der größten Blockierer“ von Reformen im Bildungsbereich. Ihm gehe es nicht darum, das Schulsystem zu verbessern. Er betreibe nur Klientelpolitik.

Die Gegner des Volksbegehrens – etwa die Plattform „Leistung und Vielfalt“ und die ÖVP-nahe Schülerunion – haben sich bisher nicht allzu laut zu Wort gemeldet. Sie können weiter auf schlechte Umfragewerte hoffen: Nur neun Prozent der Österreicher wollen das Begehren sicher unterschreiben, hieß es zuletzt in einer OGM-Umfrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2011)

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