Schulprojekt: Integration mit dem Schläger in der Hand

Schulprojekt Integration Schlaeger Hand
Schulprojekt Integration Schlaeger Hand(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Wolfgang Jannach)
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Im Schulzentrum Ungargasse in Wien wird seit diesem Schuljahr Golf gespielt. Dank eines neuen Geräts begegnen sich behinderte und nicht-behinderte Schüler am Golfplatz auf Augenhöhe.

Wien. Philipp Steinberger lässt nicht locker. Obwohl über die Driving Range in Schwechat kalter Wind weht, schlägt er einen Ball nach dem anderen. Nicht immer trifft er die kleine, weiße Kugel ganz sauber. Aber für einen Anfänger spielt er sensationell.

Dass Steinberger Golf spielen kann, ist nicht selbstverständlich. Wegen einer neurologischen Erkrankung ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Doch Rollstuhl und Golfen sind inkompatibel: „Im Sitzen abzuschlagen ist nicht möglich“, sagt er. Mit dem „Powergolfer“ aber funktioniert es doch.

Auf den ersten Blick sieht das Gerät aus wie ein motorisierter, geländegängiger Rollstuhl. Der Clou am rund 12.000 Euro teuren „Powergolfer“ aber ist, dass er Golfer in eine stehende Position aufrichten kann. Der Spieler wird mit Gurten um die Oberschenkel und um den Oberkörper fixiert und steht von allen Seiten gestützt auf einem Trittbrett: mit dem Effekt, mehr Schulterfreiheit und besseres Spielgefühl zu haben. Schüler, die ihren Alltag im Rollstuhl verbringen, können sich so auf Augenhöhe mit gehenden Kollegen messen.

Steinberger genießt das. Er besucht die 4. HAK-Klasse im Wiener Schulzentrum Ungargasse (SZU). Seit diesem Schuljahr trainiert er gemeinsam mit 14 Mitschülern aus HAK, HTL und HAS einmal wöchentlich zwei Stunden mit Golf-Pro Klaus Effenberg. Im Herbst wird die Turnhalle zum Übungs-Grün, im Frühjahr werden auch der große Schulhof und Effenbergs Schwungzentrum in Schwechat für die Golfeinheiten genützt. „Golfen erfordert Konzentration und aktive körperliche Betätigung. Das Großartige daran ist, dass behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam spielen können“, sagt Martina Mikovits, die Direktorin des SZU.

Dieses Gemeinsame ist Mikovits wichtig: Anders als bei gängigen Integrationsmodellen ist das Ziel, für die behinderten Jugendlichen in Schule, Therapiezentrum und Wohnheim optimale Voraussetzungen zu schaffen – und dann Nichtbehinderte zu integrieren. Und das sind rund drei Viertel der knapp 950 Schüler.

Volle Anmeldelisten

Möglich wurde der Golfschwerpunkt, weil der Lionsclub Wien-Hofburg den „Powergolfer“ samt Schlägern und Ausrüstung zur Verfügung stellt. „Das Interesse am Golfspielen ist enorm“, sagt Mikovits, „die Anmeldeliste ist voll und Golf wurde im Schulalltag Thema.“

Golf wirkt nicht nur integrativ, Golf bringt auch Vorteile in der Therapie, sind Tamara Petan, Nicole Woda und Philipp Grani überzeugt. Die drei Physiotherapeuten betreuen die SZU-Schüler auch bei ihren Golfeinheiten. „Die Ausdauer wird deutlich besser“, sagt Petan. Der Rumpf werde beweglicher und kräftiger und das Herz-Kreislaufsystem angeregt. „Die Schüler sind durch das Golfen motiviert, Bewegungen außerhalb ihrer alltäglichen Routinen auszuführen“, sagt Petan. „Sie schöpfen ihre motorischen Möglichkeiten weit besser aus.“

Dass Golfen in der Therapie sinnvoll ist, zeigen auch die ersten Erfahrungen der Reha-Klinik in Bad Häring. Dort hat dieser Sport mittlerweile einen Fixplatz. Auch am Weißen Hof in Klosterneuburg soll Golfen demnächst möglich werden. „Die Schüler entwickeln sich beim Spiel schneller als wir Physios“, sagt Petan anerkennend. Einer ihrer talentiertesten Schützlinge ist Philipp Steinberger.

Der findet den Sport jedenfalls „spannend“. Und dann sagt er an: „Mein Spiel ist ausbaufähig. Vielleicht kann ich ja bald bei einem Turnier mitspielen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2011)

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