383.820 Unterschriften für das Bildungsvolksbegehren

383820 Unterschriften fuer Bildungsvolksbegehren
383820 Unterschriften fuer Bildungsvolksbegehren(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Das Bildungsvolksbegehren bleibt hinter den Erwartungen zurück. Vor allem in den Bundesländern kam die Initiative schlecht an. Androsch: „Die Zahlen sagen nichts über die Sympathie in der Bevölkerung aus“.

Wien/Thea/Beba/J.N./Chs. Es hätte der große Abend des Hannes Androsch werden sollen. Hätte, denn so richtige Feierlaune wollte am gestrigen Donnerstagabend schließlich nicht aufkommen unter den Unterstützern des Bildungsvolksbegehrens: So ist es eher verhaltener Applaus, unter dem Ex-Vizekanzler Androsch am Abend bei seiner Abschlussparty im Volksbegehrensbüro einzieht. Gekommen sind viele. An den Stehtischen finden sich Entertainer Alfons Haider, zahlreiche Grünen-Politiker und Ex-Rektor Hans Sünkel. An einer kleinen Tafel werden laufend einlangende Detailergebnisse aus den Bundesländern notiert. Geklatscht wird kaum.

Denn: Die Euphorie der vergangenen Monate ist der großen Ernüchterung gewichen. Das Volksbegehren blieb weiter hinter den hohen Erwartungen Androschs zurück. Nur 383.820 Personen (inklusive Stimmkarten) haben das Begehren unterschrieben, das gab das Innenministerium am Abend bekannt. Das sind nur sechs Prozent der Stimmberechtigten. Damit blieben Androsch und seine bunte Koalition aus Unterstützern weit hinter den eigenen Erwartungen von mindestens zehn Prozent zurück.

(c) Die Presse

Nicht einmal Wien konnte helfen

Verhältnismäßig viele Österreicher konnte Hannes Androsch in Wien begeistern – dort haben 8,7 Prozent aller Stimmberechtigten unterschrieben. Die Ergebnisse differieren stark zwischen den Bezirken: Im ersten Wiener Gemeindebezirk unterschrieben 27,95 Prozent, im grün-dominierten Bezirk Neubau kommt Hannes Androsch auf 18,43 Prozent. Weniger begeistert hat das Bildungsvolksbegehren allerdings in den Arbeiterbezirken: In Simmering gab es nur 4,8 Prozent Unterzeichner. Im Burgenland unterschrieben rund 6,4 Prozent der Stimmberechtigten. In Niederösterreich waren es 5,9 Prozent, in Oberösterreich 5,6 Prozent. Mit Abstand am wenigsten Unterstützung fand die Initiative in Tirol. Nur 3,7 Prozent gaben dort ihre Stimme ab.

Nicht unter den Top Ten

Das Volksbegehren schafft es damit jedenfalls nicht unter die Top Ten (siehe Grafik unten). Es reiht sich im Mittelfeld der bisherigen 34 Begehren ein. Immerhin: Zumindest im direkten Vergleich mit den bisherigen drei Volksbegehren zum Thema Bildung konnte sich Androsch profilieren. Das bisher erfolgreichste Begehren war jenes zur Abschaffung der 13. Schulstufe im Jahr 1969 – mit rund 339.000 Unterschriften.

Wahrhaben wollte die Niederlage so mancher Unterstützer am Donnerstagabend noch nicht: Man denke gar nicht über die genauen Zahlen nach, hieß es in Androschs Team. Androsch selbst hatte bereits in den Tagen zuvor vorgebaut: Er werde ohnehin „auf keinen Fall mit dem Ergebnis zufrieden sein“, verkündete Androsch. Sei es doch sein Ziel, dass 90 Prozent der Bevölkerung die Forderungen unterstützen.

Am gestrigen Abend legte er in einer Rede vor seinen Mitstreitern nach: Das Ergebnis sei  „höchst respektabel“ und ein „Auftrag“ an die Parteien. Er gibt seinem Begehren trotz allem die Note „2+“, so Androsch: „Das Thema Bildung ist von der Peripherie ins Zentrum gerückt“, sagte Androsch. Nun, so Androsch, gehe es um die politische Umsetzung der Forderungen – von der Frühförderung über die „gemeinsame Schule“ bis zur Ausfinanzierung der Universitäten. Ob mit 250.000 oder mit drei Millionen Unterschriften sei „letztlich nur ein Zwischenschritt“.  Die Zahl der Unterschriften sage zudem „nichts über die weit größere Sympathie in der Bevölkerung aus“.

Schmied: Lob für Initiative

Eine der verantwortlichen Politikerinnen hat er (nach zwischenzeitlichen Unstimmigkeiten) jedenfalls an seiner Seite: Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), die das Volksbegehren selbst unterschrieben hat. „Aus meiner Sicht hat das Volksbegehren enorm viel bewirkt“, sagte die Ministerin der „Presse“. So führt sie die Übernahme der Neuen Mittelschule ins Regelschulwesen und die Ausweitung der Ganztagsschule auch auf den öffentlichen Druck zurück, der durch Androsch entstanden sei.
Ob die Initiative künftige Reformen anstoßen kann, bleibt freilich abzuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2011)

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