Günter Schmid: "Österreich braucht einen parteifreien Bildungsminister"

(c) Teresa Zoetl
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Günter Schmid, der Gründer der "Sir-Karl-Popper-Schule" in Wien, im Gespräch mit der "Presse" über das Bildungsvolksbegehren und seinen Wunsch nach einer ideologiefreien Bildungspolitik.

Die Presse: Das Bildungsvolksbegehren wird am Donnerstag in einer Abschlussrunde zum letzten Mal im Parlament diskutiert. Wie lautet das Resümee des wohl schärfsten Kritikers?

Günter Schmid: Ich kann eigentlich kaum ein Resümee ziehen, nachdem das Volksbegehren mit seinen sechs Prozent ein Flop war. Ein großer Teil der Forderungen des Volksbegehrens, die ja altbekannte „No-Na-Forderungen“ sind, sind gut, richtig und berechtigt. Sie sollten natürlich so schnell wie möglich umgesetzt werden, keine Frage. Da kann nur jeder vernünftige Mensch dafür sein.

Welche wären das?

Die Forderung nach einem Ausbau der Ganztagsbetreuung und der Kindergartenbetreuung. Das Zur- Verfügung-Stellen von psychologischem Personal, Nachmittagsbetreuern, Krankenpflegern und so weiter – das sind Forderungen des Begehrens, die nachhaltig unterstützt gehören. Aber ich sehe das unabhängig vom Volksbegehren, weil das Forderungen sind, die seit Jahren von Lehrern erhoben werden.

Trotzdem ist seit Jahren nur wenig passiert. Kann man das nicht auch positiv sehen, wenn es eine Initiative gibt, die Druck macht?

Wenn diese Uraltforderungen mithilfe des Bildungsvolksbegehrens Schubkraft bekommen, ist das absolut positiv. Nur die Hauptforderung des Volksbegehrens – nämlich die verpflichtende Einführung der Gesamtschule – ist etwas, das es unbedingt zu verhindern gilt.

Diese „Gefahr“ besteht ja nicht akut. Dass das Volksbegehren nicht dazu geführt hat, die Gesamtschule umzusetzen, steht außer Frage.

Das ist an sich klar, aber die derzeitige Ministerin lässt ja nicht locker und versucht das weiter durch die Hintertür mit allen Mitteln zu erzwingen. Und da muss man weiter auf der Hut sein. Man muss die Bildung vor der Bildungsministerin schützen.

Inwiefern?

Zuletzt hat sie in einem Interview mit unüberbietbarer Deutlichkeit gesagt, dass sie nicht bereit ist, in die AHS-Unterstufe zu investieren. Durch das Aushungern der von ihr ungeliebten Schulform will sie das, was sie sich wünscht, erzwingen. Das ist eine Vorgangsweise, die derart undemokratisch ist, dass sie in jeder anderen westlichen Demokratie zum sofortigen Rücktritt führen würde.

Claudia Schmied ist Ministerin einer gewählten Partei, die auch öffentlich zur Gesamtschule steht. Ist es nicht ihr gutes Recht, für ihre Überzeugungen einzutreten?

Eintreten ist eine Sache. Aber das Geld, das sie schon oder eben nicht hergibt, ist das Eigentum des Volkes. Und das Volk hat über das Parlament gewisse Beschlüsse gefasst. Die Ministerin tut so, als wäre das Bildungsbudget ihre eigene Brieftasche. Und das ist ein ungeheuerlicher Skandal. Wir werden also immer wieder aufpassen müssen, dass unser Bildungswesen von ihr nicht beschädigt wird, auch wenn das bedeutet, manchmal defensiv agieren zu müssen.

Läuft man mit dieser Einstellung nicht Gefahr, immer wieder in das „Blockierer-Eck“ gestellt zu werden?

Sicher besteht diese Gefahr. Diese Rolle habe ich 42 Jahre lang kennengelernt. Aus dieser Rolle heraus habe ich aber immerhin die Sir-Karl-Popper-Schule zu einem europäischen Erfolg gemacht. Das positive Ergebnis muss es einem schon Wert sein, dass man schräg angeschaut wird. Da geht es um die Sache und nicht um die eigene Reputation.

Sie kritisieren ideologische Zugänge sehr stark. Würden Sie sich, wie das im Justizressort schon öfter der Fall war, eine parteifreie Ministerin wünschen?

Wenn eine Bildungsministerin oder ein Bildungsminister denkbar wäre, der keiner Partei angehört, wäre das schön. Auch ich habe parteipolitische Zuneigungen. Aber als Direktor habe ich mich nie darum gekümmert, wo meine Lehrer stehen, sondern allein auf die Qualität geachtet. Also entweder jemand Parteifreier oder jemand, der aus einer Partei kommt, aber imstande ist, über die ideologischen Grenzen hinaus zu denken. Da würde ich als positives Beispiel den Wissenschaftsminister nennen.

Ihm wird aber genau aus diesem Grund mangelnde Umsetzungskraft vorgeworfen.

Weil er über der Partei steht, hat er auch keine Hausmacht. Das ist wiederum der Nachteil solcher Politiker, die parteipolitisch nicht genug verankert sind. Für das Bildungsministerium würde ich mir tatsächlich jemand Parteifreien wünschen oder jemanden aus einer Partei, dem es wirklich nur um die Bildung geht. So jemanden zu finden, ist bestimmt nicht leicht.

Wenn Sie jemand bitten würde, würden Sie sich zur Verfügung stellen?

Das ist eine lustige Frage. Ich persönlich traue mir das natürlich zu, weil ich zwanzig Jahre lang als Schulleiter genau das gelebt habe. Aber mich bittet niemand, die Gefahr ist nicht gegeben.

Zur Person

Günter Schmid (68) ist Gründer der „Sir-Karl-Popper-Schule“ in Wien, die sich als Schulversuch für Hochbegabte versteht. Er ist Mitbegründer der Bildungsplattform „Leistung und Vielfalt“. [Teresa Zötl]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2012)

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