Lehrerdienstrecht: Wie es anderswo funktioniert

Lehrerdienstrecht anderswo funktioniert
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Neues Lehrerdienstrecht: In den Niederlanden müssen sich Lehrer bewerben, in Schweden verhandeln sie Gehaltssprünge selbst, in den USA werden sie streng evaluiert. Spannende Systeme im Überblick.

Die Liste der Mängel im österreichischen Lehrerdienstrecht ist lang. Unterdurchschnittliche Einstiegsgehälter und 34 Jahre bis zum Höchstgehalt. Pragmatisierte Lehrer, die über einen Kamm geschoren werden – egal, was sie leisten. Ein Arbeitszeitmodell, das mit einem Ausbau der Ganztagsschule nicht vereinbar ist. Fortbildung, die bestenfalls gewährt wird, aber kaum gefördert, und die sich schon gar nicht in Gehalt oder Aufgaben niederschlägt. Lehrer, die zentral zugeteilt werden, und Schulen, die nehmen müssen, wen sie kriegen. Kurz, das Dienstrecht ist schwer reformbedürftig. Mit zweijähriger Verspätung starten nun die Verhandlungen (siehe Faktenkasten). Andere Staaten zeigen vor, wie es funktionieren kann. Ein Überblick.

Niederlande: Lehrer rittern um die besten Posten

In der jüngsten PISA-Studie schnitt das niederländische Schulsystem nicht schlecht ab. Wer in Holland Lehrer werden will, muss sich nach der Ausbildung bei der Schule, an der er arbeiten möchte, bewerben und seine Qualifikation mit entsprechenden Zeugnissen belegen. Nach einem Vorstellungsgespräch wählt die Direktion die Lehrer aus, die zu ihrem Profil passen. Gemeinsam mit Assistenzlehrern, Beratungskräften und anderen Fachkräften sind die Lehrer für Unterricht und Schulprofil verantwortlich. Die Zahl der Unterrichtsstunden ist in den Niederlanden nicht zentral festgelegt, auch nicht die Anwesenheitszeit an der Schule.

Vorgeschrieben ist nur die jährliche Gesamtarbeitszeit, die umgerechnet rund 37 Wochenstunden entspricht. Durchschnittlich arbeiten holländische Lehrer aber von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Die niederländischen Lehrer sind Beamte. Kündbar sind sie, wenn sie sich schwere Regelverstöße zuschulden kommen lassen (wie in Österreich), aber auch, wenn Stellen abgebaut werden. Künftig soll es Leistungsprämien für Lehrer geben. Darüber wird derzeit hitzig diskutiert. Es geht vor allem um die Frage, wer diese Prämien künftig vergeben soll.

Schweiz: Höheres Gehalt, aber auch mehr Stunden

Beamte sind die Schweizer Lehrer nur mehr im Ausnahmefall, fast alle Kantone haben in den letzten Jahren auf Angestelltenverhältnisse umgestellt, die im Wesentlichen den Gepflogenheiten der Privatwirtschaft entsprechen. Muss gekürzt werden oder stimmt die Leistung nicht, kann Schweizer Lehrern gekündigt werden.

Verlockend – auch für immer mehr österreichische Lehrer – ist dafür das Einstiegsgehalt (siehe Grafik). Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, wo dieses deutlich über dem Durchschnittseinkommen der Bevölkerung liegt (wie übrigens auch in Deutschland). In Österreich verdienen Junglehrer nur 80 Prozent des hiesigen Durchschnittseinkommens. Dafür arbeiten Schweizer Lehrer auch mehr: In der Grundschule unterrichten Pädagogen bis zu 33 Wochenstunden, insgesamt liegt die Arbeitszeit bei rund 1920 Stunden pro Jahr.

Schweden: Lehrer müssen Gehaltssprünge verhandeln

Alle paar Dienstjahre automatisch mehr Geld auf dem Lohnzettel? Davon können die schwedischen Lehrer nur träumen: Schweden ist das einzige europäische Land, in dem es keine automatischen Gehaltsvorrückungen gibt. Nur das Mindestgehalt für Berufsanfänger und für Lehrer, die seit fünf Jahren im Schuldienst sind, wird kollektivvertraglich festgelegt. Ab dann verhandelt der Schulleiter mit der Gewerkschaft oder dem einzelnen Lehrer. Berücksichtigt werden bei den Gehaltsverhandlungen etwa Arbeitsmarktsituation und individuelle Leistung: In Regionen mit Lehrermangel verdienen Lehrer mehr; dasselbe gilt für Fächer, bei denen Pädagogen knapp sind wie Mathematik oder Naturwissenschaften. Die Schulleitung kann auch Lehrern, die härter arbeiten, als erwartet wird, ein höheres Gehalt zahlen oder sie für Leistungssteigerungen belohnen.

Die Arbeitszeit der schwedischen Pädagogen richtet sich nicht nach Unterrichtsstunden, sondern es gibt eine jährliche Gesamtarbeitszeit. Drei Viertel davon sind in der Schule zu leisten – das sind über 30 Stunden pro Woche. Unter den Spitzenreitern ist Schweden übrigens auch bei der Weiterbildung: 104 Stunden im Jahr müssen sich die schwedischen Lehrer fortbilden – dazu zählen allerdings auch schulinterne Diskussionen und Ähnliches. Mehr sind es nur noch in den Niederlanden (166). Zum Vergleich: In Österreich sind für Pflichtschullehrer 16 Stunden jährlich für verpflichtende Weiterbildung vorgesehen.

Finnland: Auch Beamte haben keinen sicheren Job

Beamtenstatus bedeutet nicht immer quasi Unkündbarkeit. Das zeigt auch PISA-Sieger Finnland: Dort kann Lehrern gekündigt werden, wenn Stellenkürzungen notwendig sind – und zumindest formell besteht auch die Möglichkeit, verbeamtete Lehrer zu entlassen, wenn ihre Leistungen unzureichend sind. Die Schulen haben ein Mitspracherecht, wie auch bei der Einstellung der Lehrer. Zwar liegt die Rekrutierung wie die meisten schulbezogenen Entscheidungen formell bei den Kommunen – de facto sind es aber die Schulen selbst, die die Auswahl der Pädagogen vornehmen (auch im Nachbarland Schweden wird das so gehandhabt).

Eine Parallele zu Österreich: Auch finnische Lehrer haben abgesehen vom Unterricht keine Anwesenheitspflicht an der Schule. Wer seine durchschnittlich 18 Unterrichtsstunden gehalten hat, kann die Vor- und Nachbereitung erledigen, wo er will. Auch über geringe Gehälter klagen die Finnen. Sie können aber für hervorragende Unterrichtsleistungen und für Weiterbildung finanziell belohnt werden. Ihr Höchstgehalt erreichen sie bereits nach 16 Jahren.

Neuseeland: In nur acht Jahren zum Höchstgehalt

Neuseeland, ebenfalls unter den letztjährigen PISA-Siegern, ist das Paradebeispiel für eine flache Gehaltskurve. Lehrer erreichen dort schon nach acht Dienstjahren das Höchstgehalt. Österreichische Pädagogen müssen darauf mehr als vier Mal so lange warten. Das Basisgehalt ist dafür weder zu Beginn noch nach den acht Jahren besonders hoch (siehe Grafik). Doch das kann, wie in Finnland, aufgepeppt werden: Auch in Neuseeland werden herausragende Leistungen und Weiterbildung finanziell belohnt. Wie in den Niederlanden entscheiden die neuseeländischen Schulen über die Einstellung der Lehrer. Sie können die Pädagogen – etwa bei unzureichender Leistung – auch entlassen.

USA: Versagt die Mannschaft, fliegt der Trainer

In den USA stehen Lehrer massiv unter Druck: Auf einen Schlag feuerte die Schulbehörde in Washington D.C. vergangenes Jahr 240 Lehrer. Die Begründung: mangelhafte Leistung. Die Leistungen ihrer Schüler in landesweiten Tests waren mit denen des Vorjahres verglichen worden. Erfolge oder Misserfolge der Kinder trugen bis zu 50 Prozent zur Bewertung der Lehrer bei. Die schlechtesten fünf Prozent wurden gefeuert, die besten hingegen mit Sonderzahlungen belohnt. Das Vorgehen war mit der Gewerkschaft akkordiert. Das US-Bildungsministerium hält die Schulbehörden dazu an, Lehrerbewertungen mit den Leistungen der Schüler zu verknüpfen.

England: Unkorrekte Benotung als Kündigungsgrund

In England und Wales wird nicht zwischen Unterricht und Anwesenheit in der Schule für andere Verpflichtungen unterschieden, sondern eine jährliche Präsenzzeit an der Schule festgelegt (1265 Stunden an 195 Tagen pro Jahr). Diese umfasst grundsätzlich den Zeitraum von Montag bis Freitag zwischen 9 und 15 Uhr; es liegt aber in der Hand der Schulleiter, die Lehrer darüber hinaus zu Besprechungen oder anderen Verpflichtungen heranzuziehen.

Beförderungen und Gehaltssprünge sind nicht zentral und einheitlich geregelt, sondern können autonom von den Schulen vorgenommen werden. Die Einkommensdifferenzen dabei sind erheblich. So kann ein Direktor mehr als fünf Mal so viel verdienen wie ein Lehrer am Anfang seiner Dienstzeit. Das Konzept der Pragmatisierung kennt das britische Dienstrecht nicht. Lehrer können gefeuert werden, sofern ihnen eine strafbare oder gegen die Ziele der Schule gerichtete Tat nachgewiesen werden kann. Dazu zählt bereits die unkorrekte Beurteilung der Schüler.

Spanien: Mehr Gehalt nur bei Fortbildung

(c) Die Presse / GK

Spanien ist eines der wenigen Länder, in denen Weiterbildung einen direkten Bezug zum Lehrergehalt hat: Lehrer steigen nur in eine höhere Gehaltsstufe auf, wenn sie jeweils in einem Zeitraum von sechs Jahren eine bestimmte Anzahl von Kursen absolviert haben. Wer nicht will, kann darauf auch verzichten: Die Weiterbildung ist freiwillig – und findet fast ausschließlich außerhalb der Arbeitszeit statt.

Mehr zum Thema: Die gesamte Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) finden Sie auf www.ibw.at

Auf einen Blick. Zähe Verhandlungen zum neuen Lehrerdienstrecht starten

Mit fast zweijähriger Verspätung und nach mehrmaliger Verschiebung starten demnächst Verhandlungen über ein neues Lehrerdienstrecht. Als Eckpunkte gelten höhere Einstiegsgehälter bei einer flacheren Gehaltskurve, ein neues Arbeitszeitmodell mit längerer Anwesenheit an der Schule, attraktivere Auf- und Umstiegsmöglichkeiten und ein verstärktes Mitspracherecht von Direktoren bei der Lehrerauswahl. Geht es nach Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), sollen diesmal auch Kanzleramt und Finanzministerium mit am Tisch sitzen – offenbar als Reaktion auf den Konflikt um eine längere Unterrichtsverpflichtung im Jahr 2009, als sie sich von Kanzler und Finanzminister zu wenig unterstützt fühlte. Die Gewerkschafter vermissen vor Verhandlungsbeginn die wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft. Etwa, was die künftige Lehrerausbildung, das Schulsystem und die Schulorganisation betrifft. Skeptisch sind die Gewerkschafter bezüglich einer längeren Anwesenheitspflicht. Die Ministerin kann sich auf zähe Verhandlungen einstellen: Ob das neue Dienstrecht einige Monate früher oder später fertig sei, spiele keine Rolle, sagte etwa AHS-Lehrervertreter Eckehard Quin: „Es sollte ja für Jahrzehnte gelten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2011)

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