Umfrage: Hälfte der Lehrer gegen Ganztagsschule

Schule, Unterricht, Schüler, Ausbildung, Lernen, LehrerFoto: Clemens Fabry
Schule, Unterricht, Schüler, Ausbildung, Lernen, LehrerFoto: Clemens Fabry(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Besonders jüngere Lehrer lehnen das Konzept ab. Sie wünschen sich mehr Platz und Zeit für die Betreuung der Schüler. Die Lehrergewerkschaft kommt in der Umfrage nicht gut weg.

Die heimischen Lehrer stehen dem Konzept der Ganztagsschule gespalten gegenüber. Während 45 Prozent eine derartige Form befürworten würden, lehnen dies 50 Prozent ab. Das geht aus einer aktuellen market-Umfrage im Auftrag der Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens hervor. Zu den Hauptforderungen der Lehrer zählen der Wunsch nach mehr Platz, ausreichend Zeit zur Betreuung der Kinder und der "Erwerb von sozialen Kompetenzen". Kritik gibt es an der Lehrer-Gewerkschaft. Volksbegehren-Mitinitiator Bernd Schilcher forderte aus diesem Anlass den Chef der Beamtengewerkschaft, Fritz Neugebauer (ÖVP), zum Rücktritt auf und wird dabei von Grünen-Bildungssprecher Walser unterstützt.

Gegenüber der Ganztagsschule sind vor allem dienstältere Lehrer offen: Jene mit mehr als 20 Dienstjahren treten zu 48 Prozent für eine Ganztagsschule ein. Demgegenüber lehnen 60 Prozent jener Lehrer, die weniger als 20 Jahre im Dienst stehen, dieses Konzept ab. Für die Umfrage wurden Ende Oktober 499 Lehrer telefonisch befragt.

Gefragt wurden die Lehrer auch danach, welchen Begriff sie bevorzugen würden, sollte es nur mehr eine einzige Schulform für alle 10- bis 14-Jährigen geben. 48 Prozent würden demnach den Begriff "Gemeinsame Schule" bevorzugen. 14 Prozent der Befragten lehnen ein derartiges Konzept komplett ab.

Mehr Platz für Schüler gewünscht

Der Hauptwunsch der Lehrer ist jener nach ausreichend Platz für Schüler und Lehrer - 98 Prozent halten dies für "sehr wichtig" bzw. "wichtig". Dahinter folgt der Erwerb von sozialer Kompetenz (96 Prozent) sowie "ausreichend Zeit für die Lehrer zur Betreuung der Kinder" (95 Prozent). Ebenfalls weit oben auf der Prioritätenliste: Die Möglichkeit des individuellen Lernens und einer motivierenden Leistungsbeurteilung für jedes Kind (90 Prozent) sowie mehr Unterstützung von Lehrern, Schülern und Eltern durch psychosoziale Dienste (86).

Relativ gering ist der Wunsch der Lehrer nach einem Ende des Durchfallens: Nur für 26 Prozent ist dies "sehr wichtig" bzw. "wichtig". Auch eine längere Anwesenheit der Schüler in der Schule ist kein absoluter Top-Wunsch der Pädagogen: Nur bei 38 Prozent steht dies weit oben auf der Wunschliste.

Lehrer-Gewerkschaft schlecht bewertet

Keine besonders guten Noten bekommt die Lehrer-Gewerkschaft in der Umfrage. Nur acht Prozent sind der Ansicht, diese treibe die Bildungsdebatte "positiv voran", für 18 Prozent blockiert sie "alles". 31 Prozent vergeben hier auf der vierstufigen Skala Note zwei, 35 Prozent Note drei. Auf das Image der Lehrer wirkt sich der Einfluss der Gewerkschaft für 34 Prozent der Befragten eher negativ aus, für 21 Prozent eher positiv. 37 Prozent vergaben hier Note drei auf einer fünfstelligen Skala.

Volksbegehrens-Mitinitiator und VP-Bildungsexperte Bernd Schilcher nahm die Umfrage-Ergebnisse als Anlass, GÖD-Chef Neugebauer zum Rücktritt aufzufordern: "Statt anzutreten für eine neue Amtszeit sollten Sie zurücktreten", erklärte er in einer Stellungnahme in dessen Richtung. Die Umfrage würde deutlich zeigen, "dass eine wachsende Zahl von Lehrern mit der vorherrschenden Reformblockade-Politik von Teilen der Lehrergewerkschaft nicht einverstanden ist".

Walser unterstützt Rücktrittsforderung

Unterstützt wird Schilchers Forderung nach einem Rücktritt von GÖD-Chef Neugebauer auch durch Grünen-Bildungssprecher Harald Walser. "Jetzt haben wir es schwarz auf weiß, dass wir uns weitere fünf Jahre Neugebauer nicht leisten können" kommentiert er die heute, Montag, präsentierten Umfrage Ergebnisse. Die GÖD wäre in Österreich "zum Synonym für Stillstand" geworden. Das müsse aber nicht so sein - in anderen Ländern, etwa in Deutschland, würden die Lehrer-Gewerkschaften konstruktiv zur Weiterentwicklung des Schulsystems beitragen. "Wenn die GÖD jemals ähnlich konstruktiv wirken will, muss sie sich endlich von Stillstandswahrern wie Neugebauer trennen. Denn wir brauchen dringend eine echte Bildungsreform, die auch die Gewerkschaft unterstützt", so der Grüne Bildungssprecher.

Lehrer-Initiative: "Frischer Wind" in der GÖD

Daniel Landau, Mitbegründer der Initiative "Wir LehrerInnen für's Bildungsvolksbegehren" ruft indes zu einem Kurswechsel in der Lehrer-Gewerkschaft auf. „Die LehrerInnen sind längst weiter als ihre gewerkschaftliche Vertretung und schauen offenbar zunehmend über den eigenen Tellerrand", interpretiert er die schlechten Umfrage-Ergebnisse für die Gewerkschaft. Diese seien eine "klare Abmahnung der GÖD und ein deutlicher Aufruf, die Linie grundlegend zu ändern und sich für Diskussionen zu öffnen", mahnt Landau in Richtung Gewerkschaftskongress, der alle fünf Jahre stattfindet und heute, Montag, begonnen hat.

(APA/red)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hochschule

„Bildung ist Österreichern kein großes Anliegen“

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) über die Wirkungslosigkeit des Bildungsvolksbegehrens, „Ghettoschulen“ und die Gesprächsverweigerung von Unterrichtsministerin Claudia Schmied.
Volksbegehren SPoe will Forderungen
Schule

Volksbegehren: SPÖ will Androsch-Ideen umsetzen

Die Sozialdemokraten werten die 384.000 Unterschriften als Unterstützung für ihre Bildungsreformen, vom Koalitionspartner ÖVP kommt Häme.
383820 Unterschriften fuer Bildungsvolksbegehren
Schule

383.820 Unterschriften für das Bildungsvolksbegehren

Das Bildungsvolksbegehren bleibt hinter den Erwartungen zurück. Vor allem in den Bundesländern kam die Initiative schlecht an. Androsch: „Die Zahlen sagen nichts über die Sympathie in der Bevölkerung aus“.
Politologe Filzmaier Forderungen komplex
Schule

Politologe Filzmaier: "Forderungen zu komplex"

Androsch hätte den Mut zur inhaltlichen Vereinfachung haben und sich auf drei Kernforderungen einigen müsse, sagt Filzmaier. Auch das Timing könnte eine Rolle für das schwache Ergebnis gespielt haben.
Starker Zustrom Wien maessige
Schule

Detailergebnisse: Wien kann das Begehren nicht retten

Insgesamt haben 8,77 Prozent der Wiener unterschrieben, im ersten Bezirk sogar 28 Prozent. In den Bundesländern fällt die Unterstützung geringer aus: Am schwächsten ist die Beteiligung in Tirol.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.