Zweisprachig. In einer Hamburger Schule werden Volksschüler ab der ersten Klasse auf Deutsch und auf Türkisch unterrichtet. Ihre Leistungen können sich sehen lassen.
Hamburg/Beba. „Papagan“, sagt die Lehrerin Ayshe Yalcin, „Papagaaan, papagaan“, schallt es durch den Klassenraum. Papagan heißt Papagei auf Türkisch. Gar nicht so schwierig, findet Sofie. Die Zehnjährige hat Erfahrung; vom ersten Schultag an haben sie und ihre Mitschüler zweisprachig gelernt. Die Lämmersieth-Schule im Stadtteil Dulsberg, einem Brennpunktviertel mit einem hohen Migrantenanteil, ist eine von zwei Hamburger Volksschulen mit deutsch-türkischen Klassen. Knapp die Hälfte der Schüler ist deutschsprachig, die anderen kommen aus türkischen Familien.
Jeden Tag üben die Kinder dort den Sprung zwischen den Sprachen. Während sie auf Deutsch lesen, wie die Tiere im Frühling zum Leben erwachen, beantworten sie Fragen auf Türkisch, oder umgekehrt. Zwölf Stunden pro Woche unterrichten eine deutsche und eine türkische Kollegin die Klasse gemeinsam; manchmal teilen sie die Schüler in zwei Gruppen. Während dann etwa die deutschsprachigen Kinder Türkisch lernen, bekommen die türkischsprachigen Deutsch-Förderunterricht. Ab der vierten Klasse wird der Sachunterricht ganz auf Türkisch abgehalten.
Auch Landeskunde hat ihren Platz. Gerade haben die Kinder Figuren für ein türkisches Schattenspiel gebastelt. An der Wand hängt eine Türkei–Landkarte, daneben ein Bild des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk. Türkische Sprache und Kultur werden an der Schule als Schatz betrachtet und nicht als Makel. Davon profitieren die türkischen Schüler – und die deutschen. Neben einer guten muttersprachlichen Kompetenz entwickeln türkische Schüler mehr Selbstbewusstsein, sagt Schulleiterin Antje Kilicli. Deutsche nehmen Grundkenntnisse des Türkischen und eine gewisse kulturelle Offenheit mit.
Auch die Leistungen können sich sehen lassen. Die bilingualen Schüler sind durchwegs besser als die der anderen Klassen an der Schule. In Lesetests liegen sie im deutschen Durchschnitt – bei ihrem sozialen Hintergrund ein Erfolg. Trotzdem ist es jedes Jahr aufs Neue schwierig, deutsche Eltern von dem Modell zu überzeugen. Sie hätten Angst vor einem Stigma, sagt Kilicli.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2011)