Experte: "Fetzenliteratur" bedroht Sprachkompetenz

Experte Fetzenliteratur bedroht Sprachkompetenz
Experte Fetzenliteratur bedroht Sprachkompetenz(c) APA (HARALD SCHNEIDER)
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Der deutsche Rechtschreibrats-Vorsitzende Hans Zehetmair, sieht in Twitter, SMS und Co. eine Bedrohung für die Sprachkompetenz. Auch die Schule würde ihrem Bildungsauftrag nur begrenzt nachkommen, meint der Experte.

"Fetzenliteratur" auf Twitter oder in SMS bedroht nach Ansicht des deutschen Rechtschreibrats-Vorsitzenden Hans Zehetmair die Sprachkompetenz junger Leute. "Eine junge Generation schreibt heute - um eine Liebe zum Ausdruck zu bringen - keine Briefe mehr, sondern 'HDL' - 'Hab Dich lieb'", bemängelte er im Gespräch mit der deutschen Nachrichtenagentur dpa in München. "Unsere Zeit ist so schnelllebig geworden. Da müssen Sie sich nur die Twitter-Literatur ansehen, in der es keine ganzen Sätze mehr gibt." "Fetzenliteratur" nennt Zehetmair, der auch Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung in München ist, das.

"Wir sind weltweit in zivilisatorischen Gesellschaften auf dem gefährlichen Weg, dass immer weniger gelesen, immer mehr Fetzenliteratur gepflegt, immer weniger geschrieben wird", sagte er. Auch die Schule komme ihrem Bildungsauftrag in dem Bereich nur begrenzt nach. "Die Lehrer sind auch Kinder unserer Zeit und - bei allem guten Bemühen - gibt es auch bei ihnen oft diese Fetzenliteratur: super, geil und alles mit Ausrufezeichen." Hochschullehrer beklagten immer wieder die mangelhafte sprachliche Qualität von Diplom-, Magister- oder Bachelorarbeiten. "Man nimmt sich kaum noch die Zeit, ganze Sätze zu formulieren." Nach Angaben von Linguisten müssten rund 20 Prozent der 15-Jährigen heute als Analphabeten bezeichnet werden, sagte Zehetmair.

Eine Schwierigkeit sei auch die steigende Zahl an Anglizismen, die die deutsche Sprache überflute. "Sprache ist in vielen Bereichen ausschließlich verzweckt worden und ist überbordet mit Fremdeinflüssen. Ich bin nicht gegen Anglizismen im Allgemeinen, aber man sollte schon noch wissen, was die Worte auf Deutsch heißen." Das fehlende Hinterfragen sei aber "symptomatisch für eine Gesellschaft, die nicht mehr hinter die Dinge blickt und die Hintergründe nicht mehr beleuchtet", sagte Zehetmair und warnte: "Eine solche Gesellschaft ist anfällig für Manipulation."

Studie: SMS und Co. haben keinen Einfluss

Der Frage danach, inwiefern die digitale Kommunikation die Rechtschreibqualitäten von Jugendlichen beeinflusst, ist auch die Germanistik-Professorin Christa Dürscheid von der Universität Zürich nachgegangen. Sie und ihr Team haben an die 1000 Deutschaufsätze und und über 1100 Texte, die dieselben Jugendlichen in ihrer Freizeit in SMS, E-Mails und als Mitteilungen in sozialen Netzwerken verfasst haben, untersucht. Die Linguistin untersuchte dabei Rechtschreibung, Interpunktion, Grammatik, Wortschatz, Stil und Aufbau der Texte. Das Ergebnis: In keinem dieser Bereiche, haben die sprachlichen Eigenarten der digitalen Kommunikation nennenswerte Spuren in den Schultexten hinterlassen. Dürscheid ist der Meinung, dass die Schüler die Schreibwelten trennen könnten.

Allerdings gibt die Studie dennoch keinen Grund zur Freude: Denn obwohl die elektronische Kommunikation nicht als Verursacher dieser Defizite benannt werden kann, sind die Rechtschreibleistungen jener Schüler deren Texte untersucht wurden, alles andere als zufriedenstellend. Nach Einschätzung der Deutschlehrer, die Dürscheid für ihre Studie befragt hat, liegt das allerdings an einem allgemeinen Nachlassen der orthografischen und grammatikalischen Fähigkeiten der Schüler in den vergangenen zehn Jahren.

(apa/dpa/red)

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