Schreiben lernen: „Ich hab in Inzbruk Fusbal geschbilt“

Schreiben lernen Inzbruk Fusbal
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Die Methode des „Invented spelling“ (erfundenes Buchstabieren) ist unter Fachleuten und Eltern von Schulanfängern umstritten. Doch empirische Belege für spätere Probleme bei der Rechtschreibung gibt es nicht.

Wien. Nach der zweiten Schulwoche kommt Hänschen nach Hause, nimmt sein Heft zur Hand und beginnt zu schreiben. Er schreibt und schreibt. Hänschens Mutter traut sich nicht, ihren Sohn zu stören. Als sie die gesammelten Werke liest, wird sie allerdings blass. Denn Hänschen hat zwar sehr viel geschrieben, aber lesen (oder gar verstehen) kann man praktisch nichts davon. Die Wörter haben keinen Anfang und kein Ende, der Freund wird zum „froind“, die Eier werden zu „aia“. Einige Wochen später wird's schon besser: „Ich hab in Inzbruk Fusbal geschbilt“, schreibt Hänschen. Und ist begeistert. Das ermunternde Lächeln seiner Mutter wirkt allerdings noch immer ein wenig verkrampft.

Diese Reaktion ist Eltern nicht fremd, deren Schulanfänger mit der Methode des „invented spelling“ (erfundenes Buchstabieren) Schreiben und Lesen lernen sollen. Die große Sorge ist: Wenn schon Hänschen nicht lernt, wie man „Freund“ richtig schreibt, wie soll es Hans dann jemals lernen?

Die Lehrer sind gefordert

Für derartige Befürchtungen gibt es zumindest keinen empirischen Grund. Der Ansatz ist zwar unter Fachleuten mindestens ebenso umstritten wie unter Eltern, vor allem, was das Erlernen der richtigen Orthografie betrifft. Kinder, die zu lange in ihrer eigenen Rechtschreibwelt leben, tun sich später schwerer, die richtige Orthografie zu erlernen, heißt es. Untersuchungen haben bisher jedoch keinen Beleg dafür erbracht. Allerdings unter einer Voraussetzung: Die Methode muss von den Lehrern von Anfang an intensiv begleitet werden.

„Invented spelling“ kommt aus den USA und Großbritannien. Im deutschen Sprachraum ist die Methode bereits seit mehr als zehn Jahren bekannt, erst seit Kurzem aber wird sie breit eingesetzt. Sie ermuntert die Kinder, ab dem ersten Tag, alles zu schreiben, was sie ausdrücken wollen – wie auch immer sie es ausdrücken können. Daher soll man die Kinder am Anfang auch nicht kritisieren oder korrigieren – außer sie fragen selbst danach, wie man ein Wort richtig schreibt.

Neben dem Motivations- und Kreativitätsaspekt soll „invented spelling“ die Fähigkeit der Kinder stärken, einem Laut einen Buchstaben zuzuordnen. Wird hier eine solide Grundlage gelegt, kann diese auch über die spätere Lesefähigkeit des Kindes entscheiden. „Leseschwache Kinder haben oft das Problem, dass sie Graphem und Phonem – also Buchstabe und Laut – nicht in Einklang bringen können“, sagt Alfred Schabmann, Bildungspsychologe an der Universität Wien.

Schabmann hat auch die Rahmenbedingungen parat, unter denen die Methode erfolgreich praktiziert werden kann. Immerhin wurde am Institut für angewandte Psychologie erst kürzlich eine Diplomarbeit zu diesem Thema abgeschlossen. Diese kam zu dem Schluss, dass „invented spelling“, wenn richtig gemacht, „mehr nützt als schadet“. „Richtig“ heißt dabei, dass die Methode ein Ablaufdatum haben muss, um nicht für den Rest der Schulzeit als Maske für miserable Rechtschreibung herzuhalten: Es sollte nur im ersten Volksschuljahr angewendet werden.

Lernwörter richtig üben

Der andere – und wesentlich wichtigere – Punkt beim „invented spelling“ ist die Hilfe des Lehrers. „Es ist entscheidend, dass die Kinder damit nicht alleingelassen werden“, meint Bildungspsychologe Schabmann. „Die richtige Orthografie sollte parallel sehr bald einsetzen.“ Zum Beispiel über Lernwörter, deren richtige Schreibweise die Kinder immer wieder üben. Und dabei darf man sie dann auch wieder korrigieren.

Auf einen Blick

„Invented spelling“ ermuntert Kinder ab einem frühen Alter, Wörter nach Gehör zu schreiben, auch wenn dies allen Regeln der Orthografie zuwiderläuft. Die Methode ist umstritten. Empirische Belege, dass sie den späteren Erwerb der korrekten Rechtschreibung behindert, gibt es aber keine. Wichtig ist eine intensive Begleitung durch den Lehrer.

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