Seit der Jahrtausendwende steigt der Anteil an Pflichtschülern, die eine Sonderschule besuchen, kontinuierlich an.
Während über die Abschaffung der Sonderschulen debattiert wird, nimmt die Aussonderung im österreichischen Bildungssystem zu: Seit der Jahrtausendwende steigt der Anteil an Pflichtschülern, die eine Sonderschule besuchen, kontinuierlich an. "Die schulische Aussonderung nimmt wieder zu", sagt die Tiroler Sozialwissenschaftlerin Petra Flieger. Die schulische Integration habe demnach "zu einer Stärkung des Sonderschulwesens und zu einer Zunahme der Segregation geführt".
Seit 1993 besteht die Wahlfreiheit für Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) zwischen Sonderschul- oder Integrationsklasse. ÖVP- und Grünen-Mandatare sowie Interessensvertretungen kritisieren seit jeher das zweigleisige System und fordern als Folge der 2008 ratifizierten UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen die Abschaffung der Sonderschule und ein gänzlich inklusives Schulsystem.
Laut Flieger ist man davon aber noch weit entfernt: In sechs Bundesländern - Burgenland, Niederösterreich, Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg - ist die Zahl der Schüler, die Sonderschulen besuchen, im Vorjahr angestiegen. Dabei ist die Zahl der Pflichtschüler insgesamt rückläufig. In einzelnen Bundesländern ist die Segregationsquote sogar deutlich höher als vor 20 Jahren, als es noch keine Gesetze für Schulintegration gab: So ist sie in Niederösterreich von 2,61 (1990/91) auf 2,97 Prozent (2010/11) angestiegen, in Vorarlberg von 2,48 auf 2,96 Prozent.
Migrantenkinder überrepräsentiert
Flieger führt das darauf zurück, dass die Zahl der Kinder, die einen SPF zugeschrieben bekommen, kontinuierlich ansteigt. "Immer mehr Kinder bekommen dieses Etikett aufgedrückt, woraufhin die Sonderschulen konsequent mit SchülerInnen versorgt werden", so Flieger. Auch das "lange bekannte Phänomen", dass zunehmend Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache in Sonderschulen eingeschult werden, spiele eine Rolle: Mit einem Anteil von 28,5 Prozent (im Schuljahr 2010/11) sind Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache "an Sonderschulen stark überrepräsentiert.
Flieger fordert eine bedarfsgelenkte Förderung, keine Betreuung, die erst bei der "Diagnostizierung und Etikettierung eines Kindes einsetzt". "In das Sonderschulsystem fließen viele Ressourcen. Mit dem selben Geld könnte man integrativ viel bessere Arbeit leisten." Als Beispiel nennt sie die Tiroler Region Außerfern: Seit zehn Jahren gibt es hier keine Sonderschulen mehr. Ein Sonderpädagogisches Zentrum (SPZ) koordiniert und organisiert die Ressourcen und betreut die Pädagogen. Ein ähnliches Modell fasst nun das Ministerium auch für andere Regionen ins Auge.
(APA)