Doppelte Strafe bei Schulschwänzen?

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Die Regierung einigte sich auf ein Maßnahmenpaket gegen Schulabbrecher. Experten stehen höheren Strafen allerdings kritisch gegenüber. Wichtiger sei ein verschränkter Ganztagsunterricht.

Wien.Soll es höhere Strafen für Schulpflichtverletzungen geben? Die Antwort der Regierung auf diese Frage lautet: Ja, aber. Eine Anhebung der Höchststrafe von 220 auf 1500 Euro, wie Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) vorschlägt, geht der SPÖ zu weit. Sie will zuerst über die Maßnahmen reden, signalisierte dem Vernehmen nach aber Kompromissbereitschaft. Demnach soll das Strafausmaß für Eltern, deren Kinder die Schulpflicht (Dauer: neun Jahre) verletzen, verdoppelt werden. Die Strafhöhe wurde seit 1985 nicht valorisiert.

In der Ministerratssitzung am Dienstag soll Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), eine Lehrerin, Kurz für seinen Vorstoß kritisiert haben: Strafen seien der falsche Weg, um Jugendliche zurück in die Schule bzw. auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) sei seinem Staatssekretär argumentativ zu Hilfe geeilt, hieß es.

Eine Einigung gab es dennoch, wie Spindelegger und Kanzler Werner Faymann nach dem Ministerrat verkündeten. Geplant ist ein dreiteiliges Paket: Eltern von Schulabbrechern werden zu Gesprächen verpflichtet. Das Bildungsministerium soll eine Studie in Auftrag geben, um die Motive der Jugendlichen - die bisher nicht erhoben wurden - zu erforschen. Und der Vollzug soll strenger werden. Strafen werden derzeit nur sehr eingeschränkt verhängt.

Problem Migrationshintergrund

Kurz beruft sich auf eine IHS-Studie, wonach es jährlich 10.000 Schulabbrecher gibt und 16 Prozent Migrantenkinder sind. Allerdings ist die Datenlage zur Schulpflichtverletzung nicht ganz eindeutig, wie das Beispiel Wien zeigt. Dort gab es laut Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage im Jahr 2011 etwa 1138 Verfahren, allerdings wenden sich die Schulen auch oft direkt an das Jugendamt - ohne Verfahren. Offen ist auch, ab wann Schulen ein Fernbleiben dem Bezirks- oder Stadtschulrat anzeigen, der dann das magistratische Bezirksamt informiert. Laut Gesetz, so eine Stadt-Juristin, müsste das ab der ersten unentschuldigten Stunde geschehen. Im Vorjahr verfasste das Jugendamt 86 Stellungnahmen für Verfahren, es kam zu 371 Straferkenntnissen.

Johann Bacher, Autor der Studie „Junge Menschen ohne Berufsausbildung", die zeigt, dass 75.000 Österreicher zwischen 16 und 24 Jahren weder einen Job haben noch in Ausbildung sind, macht vor allem zwei Faktoren für den Schulabbruch verantwortlich: Schlechte schulische Leistungen, die die Schüler demotivieren, und Freizeitaktivitäten am Nachmittag - Stichwort: Einkaufszentrum und Computerspiele. Der Migrationshintergrund spiele insofern hinein, als unter den „Risikoschülern" (solche, die einfache Rechenbeispiele nicht beherrschen) der Anteil an Kindern mit ausländischen Wurzeln erhöht sei (28 Prozent). 40 Prozent der 75.000 Jugendlichen in der Studie haben Migrationshintergrund. Das Problem sei aber weniger, dass die Eltern keine gute Ausbildung für die Kinder wollten, sondern dass sie ihnen wegen eigener sprachlicher Defizite kaum helfen könnten. Höhere Strafen sieht Bacher nicht als Lösung. Wichtiger sei ein verschränkter Ganztagsunterricht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2012)

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