Wie Studenten weltweit protestieren

(Clemens Fabry)
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Die österreichische „Unibrennt“-Bewegung hat sich relativ rasch totgelaufen. In anderen Ländern haben Studenten mehr Ausdauer.

In Chile sind sie nackt, in Ungarn beten sie, und in Italien stürmen sie den Schiefen Turm von Pisa. Weltweit wissen Studierende: Eine gute Protestbewegung muss (auch) auffallen – und zwar nicht nur einmal, nicht nur kurz. Sondern über einen längeren Zeitraum hinweg.

Hierzulande ist ein derartiger Protest inzwischen eine ganze Weile her. Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit gut 2000 Studenten nach einer Demonstration spontan das Audimax der Uni Wien stürmten und es in eine Zone des politischen Widerstands verwandelten. Ähnlich abrupt, wie sie begonnen hatte, endete die Besetzung am 21. Dezember 2009, als die Polizei am frühen Morgen einige Obdachlose und das letzte verbliebene Dutzend Aktivisten aus dem Saal führte. Dazwischen lag ein 61 Tage dauernder Protest, ungewöhnlich, irgendwie charmant und zugleich von bestechender Schlagkraft – für eine kurze Zeit allerdings.

Denn dass der Audimaxismus im April des Vorjahres nochmals – für ein paar Stunden – aufflackerte, kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bewegung mittlerweile lediglich als eine ferne Erinnerung im Bewusstsein der Studenten existiert. Die Schlagkraft von Demonstrationen gegen Studiengebühren, gegen Zugangsbeschränkungen ist erschöpft; schon lange nicht mehr sind mehr als wenige hundert Studierende den (zugegebenermaßen ohnehin eher spärlichen) Protestaufrufen der Studentenvertreter gefolgt.

Muss das so sein? Nicht unbedingt. Wie eine wahre Protestwelle aussehen kann, zeigt beispielsweise Chile. Fast das ganze Jahr 2011 hindurch gingen die chilenischen Studierenden – unterstützt von Schülern, von Lehrern und Arbeitern – auf die Straße, um gegen das kostspielige und sozial ungerechte Bildungssystem zu protestieren, das noch aus der Zeit der Diktatur unter Augusto Pinochet stammt. Eine Viertelmillion Studenten boykottierte über fünf Monate lang die Vorlesungen verschiedener Unis.

„Lehr uns revoltieren, Camila“

Chile verlor in diesen Monaten des Protests gleich zwei Bildungsminister. Und gewann ein neues Idol: Die 23-jährige Geografiestudentin Camila Vallejo, eloquente kommunistische Studierendenvertreterin, wurde zum Gesicht der chilenischen Studentenrevolution. Und tourte im Anschluss unter anderem durch Deutschland, wo sie mit Begeisterung empfangen wurde. Nicht zuletzt, um zu erklären, wie ihre chilenische Massenbewegung funktionierte. „Lehr uns revoltieren, Comandante Camila“, titelte etwa der „Spiegel“.

Immerhin in einigen Ländern der Alten Welt haben sich die Studenten – Stichwort Wirtschaftskrise (siehe Artikel links) – in jüngster Zeit wieder aufgelehnt. In Ungarn protestierten Studenten gegen die Aushungerung der Hochschulen durch die rechtskonservative Regierung. In Spanien, einem jener Länder, das am stärksten von der Krise gebeutelt wird, gehen Studierende ob der verzweifelten Situation an den Unis – bisweilen wird nicht einmal geheizt – wieder und wieder auf die Straßen. Und in Italien brach nach der drohenden Uni-Reform von Ex-Bildungsministerin Maria Stella Gelmini eine Welle der Entrüstung los. Hörsäle wurden besetzt, Vorlesungen fanden im Freien statt, auch ins Kolosseum und den Schiefen Turm von Pisa drangen die Studierenden ein, um via Plakat auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.

Warum sich der Protest in Österreich indes offenbar totgelaufen hat – obwohl von erfüllten Forderungen keine Rede sein kann, die Studiengebühren eben erst bestätigt wurden, ab Herbst neue Beschränkungen bevorstehen? Eine mögliche Antwort: Den Studierenden in Österreich geht es – trotz überfüllter Hörsäle und Ähnlichem – vergleichsweise gut. Eine andere: Die Studierenden haben den Glauben an das, was sie da tun (oder besser: taten) ein Stück weit verloren. Dass die Besetzung eines Hörsaals – auch, wenn sie zu Spitzenzeiten mehr als 20.000 Menschen auf Wiens Straßen treibt – eine echte Reform bewirken kann, glauben inzwischen nur noch die größten Idealisten. red.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2013)

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