Unibrennt: Was vom Studentenprotest geblieben ist

(c) Clemens Fabry, APA, Montage: Die Presse
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Vor bald fünf Jahren besetzten Studierende das Audimax. Sind die Studenten seitdem brav und pragmatisch geworden? Oder sind sie vielmehr heimliche Revolutionäre? Eine Bestandsaufnahme.

Bald ist es fünf Jahre her, dass Studierende spontan die Uni Wien stürmten, das Audimax 60 Tage lang besetzten und ihren Frust über die Uni-Politik artikulierten. Was auch immer man davon halten mag, Hörsäle zu besetzen, klar ist: Es war ein Aufbegehren, wie man es in Österreich jahrzehntelang nicht erlebt hatte. Eines, das die Unis über das Ende der Besetzung hinaus ins Zentrum der nationalen Aufmerksamkeit rückte. Wo sie seitdem kaum mehr zu finden sind.

Wirklich aufbegehrt hat lang niemand mehr. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die letzte größere Forderung jene nach dem inzwischen mit der Wirtschaft fusionierten Wissenschaftsministerium war. Das normalerweise ja eher selbst Adressat der studentischen Forderungen ist.

Gibt es womöglich einfach nicht mehr genügend Gründe zu rebellieren? Das kann man so kaum sagen. Wesentlich haben sich die Rahmenbedingungen für die Studierenden in den vergangenen fünf Jahren nicht verbessert. Den Unis fehlt es nach wie vor an Geld. Sie sind froh, wenn sie in den kommenden Jahren überhaupt den Status quo aufrechterhalten können.

Für die Studierenden heißt das in einer Reihe von Studienrichtungen: Die Erstsemestrigen balgen sich um die Sitzplätze im Hörsaal. Ein paar Semester später rittern sie um die Seminarplätze. Und dann um den Betreuer für die Abschlussarbeit. Nicht ganz einfach, wenn auf einen Professor mehrere Dutzend Studierende kommen. Woran es dann liegen mag, dass es um die Studenten so ruhig geworden ist? Sind die Studierenden heute alle brav und pragmatisch?

Diese Fragen treiben offenbar ziemlich viele Menschen um. Nicht zufällig sind in den vergangenen paar Jahren serienweise Bücher dazu erschienen: über die Generation Gefällt mir, die Generation Ego, die Generation Maybe, die Generation Y. Und die These mit dem neuen Pragmatismus wiederholt sich auffällig oft. Demnach geht es den jungen Leuten vor allem ums eigene Fortkommen. Und das gelingt am besten, wenn man sich nicht allzu sehr auflehnt.


Jüngster Streich: Das Büchlein der deutschen Uni-Dozentin Christiane Florin, in dem sie über 80 Seiten beklagt, wie angepasst die Studenten seien. „Sie akzeptieren ihren akademischen Dreijahresplan ohne Fragen und Klagen. Doch Lust am Neuen spürte ich bei ihnen kaum“, schreibt diese da. „Anpassung verspricht Erfüllung, und erfüllt lebt, wer diffuse Ansprüche erfüllt. Diese Studenten haben in sich hineingehorcht und sie werden gehorchen. Noch ein bisschen mehr Berufsberatung am Ende des Studiums – und alles wird gut.“

Und sie schließt ab mit einem Seitenhieb auf Sebastian Kurz, der für sie den Idealtyp des angepassten Karrieristen verkörpert. Ironisches Fazit: „Die Studenten, über die ich hier so pauschal geschrieben habe, werden es wahrscheinlich weit bringen.“

Die Antwort der Studierenden folgte auf dem Fuß: Viele klagten über Bachelorstress und Leistungsdruck, über Praktika und prekäre Aussichten. Andere gingen in die Offensive. „Reicht es, wenn ich im Seminar aufstehe und brülle: ,Das ist totaler Quatsch, den Sie da erzählen!‘ und meinen BH verbrenne?“, fragte eine Studentin bissig in der „Zeit“. „Wir artikulieren unseren Ärger in den sozialen Netzwerken schneller, als unsere wilden Onkel einen schmucken Pflasterstein aufsammeln konnten“, heißt es in einem Kommentar. Und weiter: Auf die Straße zu gehen sei heutzutage sowieso nicht mehr provokativ.


Das passt gut zu der These, mit der der deutsche Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann – selbst übrigens stolze 70 Jahre alt – via Buch zur Verteidigung der jungen Leute ausrückt: Sie seien nämlich sehr wohl Revolutionäre. Nur eben heimlich. „Die strukturellen Umwälzungen, die diese Generation initiiert, werden in ihrer Tragweite unterschätzt, eben weil sie sie nicht mit militantem Gehabe, ja, noch nicht einmal mit befreiter Aufbruchsstimmung angeht“, schreibt er. „Sie lebt sie einfach, so als wären sie selbstverständlich.“

Ob es eine solche Rechtfertigung wirklich braucht, sei dahingestellt. Vielleicht ist die Sache nämlich ganz einfach. Wie ein Student in der „Zeit“ schreibt: „Offensichtlich macht meine Generation irgendetwas richtig, wenn wir anders sind, als wir sein müssten.“

BÜCHER

Christiane Florin: Warum unsere Studenten so angepasst sind.rororo Verlag.

Klaus Hurrelmann,

Erik Albrecht:

Die heimlichen Revolutionäre. Wie die Generation Y unsere Welt verändert.

Beltz Verlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2014)

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