Ex-Rektor zu Unibrennt: „Hätte früher ins Audimax gehen müssen“

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Winckler(c) Clemens Fabry - Die Presse
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Der damalige Rektor Georg Winckler über die Proteste, die vor exakt fünf Jahren starteten. Dass es um die Unis ruhig geworden ist, erfüllt ihn mit Sorge. Vonseiten der Hochschulchefs vermisst er ehrgeizige Ziele für den Uni-Sektor.

Die Presse: Vor fünf Jahren wurde das Audimax besetzt, Sie waren damals Rektor der Uni Wien. Würde sich das wiederholen: Was würden Sie Ihrem Nachfolger raten?

Georg Winckler: Man soll nicht gleich die Polizei rufen, sondern erst einmal schauen, was der Hintergrund ist. Es gibt legitime Anliegen und es gehört gewissermaßen zur Uni-Geschichte, dass auch Besetzungen stattfinden. Und, auch eine Lehre aus 2009: Man muss genau schauen, wann es gute Gründe gibt, eine Besetzung zu beenden.

Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, zu zögerlich agiert zu haben. Sehen Sie das retrospektiv auch so?

Am Anfang war Unibrennt ja eine sehr breite Bewegung, die von der Bevölkerung sehr viel Sympathie bekam. Wie andere Rektoren auch habe ich das als einen Appell an die Öffentlichkeit gesehen: dass Unis und Bildung einen höheren Stellenwert verdienen. Das war ein Erfolg der Unibrennt-Bewegung.

Und später?

Als das Interesse sehr stark gesunken ist, das Audimax nur noch zu wenigen Zeitpunkten voll war und sich das Ganze eher in eine Aktion der Armutshilfe wandelte, hätte man anders agieren müssen. Vielleicht hätte ich schon früher ins Audimax gehen müssen, um mit den Studierenden zu sprechen.

Meinen Sie damit auch: Sie hätten den Hörsaal womöglich früher räumen lassen sollen als erst Ende Dezember?

Wenn man sagt, dass das Audimax legitimerweise besetzt ist, weil es für die Unis zu wenig Aufmerksamkeit gibt, kann man nicht räumen. Man hätte aber bereits Mitte November aktiver werden sollen. Nur: Die Politik hat den ersten Dialogtermin erst für Ende November angesetzt. Das war zu spät. Die Politik wollte das irgendwie aussitzen.

Tragen Sie das dem damaligen Minister Johannes Hahn (ÖVP) noch nach?

Er zeigte immer Verständnis. Aber seine Agenda war nicht klar. Politik sollte meiner Meinung nach immer eine Agenda haben. Sie sollte wissen, wohin sie will.

Johannes Hahn wollte jedenfalls als Kommissar nach Brüssel.

Die Bestellung hat sich unglücklicherweise hinausgezögert. Und es ist sicher richtig, dass man damals merkte, dass ihn eine andere Frage mehr beschäftigte als die nach dem Stellenwert der Unis.

Was ist Ihrer Meinung nach von den Protesten geblieben?

Das eine ist, dass sehr viele Universitäten, auch die Uni Wien, ihre Curricula überdacht und dann verbessert haben. Zweitens war Minister Karlheinz Töchterle sehr erfolgreich mit seiner Uni-Milliarde. Vielleicht ist ein Teil seines Erfolgs auch darauf zurückzuführen, dass es Unibrennt gab.

Während die Unis vor fünf Jahren im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, ist es momentan sehr ruhig. Was ist da los?

Das erfüllt mich mit Sorge. Während in Deutschland die Diskussion um die Neuaufstellung der gesamten Exzellenzförderung die Politik sehr beschäftigt, ist diese Frage in Österreich aus der Diskussion herausgefallen.

Liegt das auch an Ihren Exkollegen und Nachfolgern? Schaffen es die Uni-Chefs nicht, ihre Themen breitenwirksam zu positionieren?

Man kann nicht immer nur sagen, wir wollen mehr Geld. Sondern auch: Wir sind bereit, modern zu sein, zukunftsorientiert zu sein, wir halten die Bildung hoch. Neben dem finanziellen Thema muss ein zweites Thema sehr aktiv betrieben werden, sonst gehen die Unis unter. Momentan fehlt das.

Woher kommt das?

Als die Autonomie erreicht wurde, haben die Unis wieder begonnen, sich nach innen zu orientieren. Es hat eine Art Implosion der ehrgeizigen Ziele stattgefunden, die wir vor zehn, 15 Jahren hatten. Meiner Meinung nach brauchten wir ehrgeizigere Ziele.

Das klingt ziemlich hart. Sind die Universitäten vielleicht auch ein bisschen mürbe geworden? Immerhin tut sich unipolitisch seit Jahren so gut wie nichts. Das ist schon auch frustrierend.

Das Desinteresse der Politik wirkt lähmend. Die Politik muss eine andere Funktion erfüllen. Der damalige Minister Hahn stellte 2008 ein sehr gutes Programm vor, wie sich der Sektor weiterentwickeln soll. Das ist wegen der Finanzkrise in sich zusammengefallen. Seitdem ist unglaublich viel Papier produziert worden. Es fehlt der Wille zur Umsetzung.

Wie beurteilen Sie die erste Zeit ohne eigenständiges Uni-Ministerium?

Ich war da von Anfang an pragmatisch. Ich habe nicht verstanden, warum die Unis gleich schwarze Fahnen hissen müssen. Ich hätte keine schwarze Fahne gehisst. Ich hätte gesagt: Ich will sehen, was die Agenda ist.

Haben Sie die bis dato gesehen?

Schon ein bisschen. Aber zu wenig. Mir fehlt etwa eine Perspektive, wie sich unsere Unis im europäischen Kontext aufstellen werden, wo wir Forschungsschwerpunkte haben wollen oder wie wir Exzellenzförderung über Doktorandenkollegs oder Sonderforschungsbereiche betreiben wollen.

AUF EINEN BLICK

Georg Winckler (71) war von 1999 bis 2011 Rektor der Uni Wien und ist nun Präsident des Aufsichtsrats der Erste Stiftung. In seine Amtszeit fiel die Besetzung des Audimax, deren Start sich heute zum fünften Mal jährt. Am 22. Oktober 2009 besetzten Studierende den größten Hörsaal der Uni Wien. Sie hielten ihn 60 Tage lang besetzt, bis das Rektorat die Polizei am 21. Dezember um Räumung bat. Winckler diskutierte dort am 4. Dezember 2009. Der erste Hochschuldialog fand am 25. November statt.

Mehr zur Audimaxbesetzung: diepresse.com/audimax

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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