Von Traiskirchen in den Hörsaal

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Die heimischen Unis wollen Flüchtlingen den Zugang erleichtern. Auch heute gibt es schon Menschen, die nach Österreich geflohen sind und studieren. UniLive hat drei getroffen, die es an österreichische Unis geschafft haben – trotz mancher Widrigkeiten.

Mina (26): „Ich bin überall hingelaufen, wo es Bildungsberatung gab.“

Die erste Info, die Mina vor fünf Jahren von einem Flüchtlingsbetreuer bekam, war nicht sehr ermutigend: Mit ihrer afghanischen Reifeprüfung hier studieren? Geht nicht. „Es hat immer an Information gefehlt“, sagt die 26-Jährige. Vor allem an richtiger. Dass sie trotzdem seit sechs Semestern an der Uni Wien Pharmazie studiert, liegt nicht zuletzt daran, dass sie eine ist, die sich nicht so rasch von etwas abbringen lässt. „Ich bin überall hingelaufen, wo es Bildungsberatung gab“, sagt sie. „Ich habe nicht aufgehört zu fragen. Deshalb ist es vielleicht gegangen.“

Geplant war eigentlich, dass sie in Afghanistan Medizin studiert. Den Studienplatz hatte die Tochter zweier Chemieprofessoren schon. Doch bevor das Semester startete, bekam sie Schwierigkeiten. Schwierigkeiten, über die sie nicht gern im Detail spricht. Nur so viel: „Ich hatte als Frau Probleme. Ich habe keine Möglichkeit mehr gesehen, mein Leben so zu leben, wie ich wollte. Die Gesetze, die mich schützten, gab es nur auf dem Papier.“ Und so verlässt sie 2010 ihr Land: 21-jährig, allein. Es ist für sie die dritte Flucht ihres Lebens: „Ich habe nur Krieg gesehen in Afghanistan.“ sagt sie. „Krieg und Flucht.“ Zweimal ist sie mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Pakistan geflohen. Die dritte Flucht („Illegal, weil es legal keine Möglichkeit gibt, nach Europa zu kommen“) endet vorerst in Traiskirchen. „Die Schlepper haben mich in der Nähe rausgelassen.“

Im Erstaufnahmezentrum, das zuletzt für Schlagzeilen sorgte, sei nicht so viel los gewesen wie heute. „Aber wir waren nicht so willkommen, das habe ich gemerkt.“ Nach drei Tagen kommt sie in ein Flüchtlingsheim nach Oberösterreich, nach ihrem positiven Asylbescheid dreieinhalb Monate später nach Wien. „Weil ich studieren wollte.“ Eine Reihe widersprüchlicher Infos, vier Ergänzungsprüfungen zur Matura und zig E-Mails später ist sie dort angekommen. Bis sie mit Pharmazie fertig ist, dauert es noch. „Es ist ein schwieriges Studium.“

Noch mehr, wenn man die zusätzlichen Stolpersteine berücksichtigt. „Ich muss mir in allen Bereichen des Lebens doppelt Mühe geben, um die Hürden zu bewältigen, die es für Migranten gibt“, sagt sie. Auch, wenn sie als anerkannter Flüchtling theoretisch die gleichen Rechte hat wie eine Österreicherin: Das nicht ganz perfekte Deutsch, die dunkle Hautfarbe führen immer wieder zu Benachteiligungen – bei der Jobsuche, beim Fortgehen, an der Uni. In ihrem Nebenjob versucht sie, zumindest Letzteres zu verbessern: Für die ÖH der Uni Wien berät sie selbst ausländische Studierende.

Salam (22): „Ich will es mit Medizin probieren.“

Medizin: Das war immer schon das Wunschstudium von Salam al-Heb, schon in Syrien. „Hier gibt es die Chance, das zu machen. Und ich will es probieren.“ Zu Hause hat die 22-Jährige keinen Studienplatz bekommen und daher mit Informatik begonnen. Was sie auch weitergemacht hätte („Ich mag Informatik“) – wäre nicht der Krieg dazwischengekommen. Nachdem eine Bombe ins Haus der Familie einschlug und eine ihrer Schwestern verletzte, verließ die Familie – mit palästinensischen Wurzeln und staatenlos – das Land vor zweieinhalb Jahren Richtung Ägypten. Wenig später ging es weiter: in einem Fischerboot übers Mittelmeer, mit Schleppern von Italien nach Österreich. Fünf Tage in Traiskirchen, acht Monate Kärnten.

Und dann, vor knapp anderthalb Jahren nach Wien. „Ich habe mich so schnell wie möglich an der Uni angemeldet“, sagt Salam. Die Deutschprüfung hat sie gerade absolviert. Nun bereitet sie sich im Vorstudiengang auf die Ergänzungsprüfungen in Physik, Biologie und Chemie vor – auch, wenn sie die Notwendigkeit nicht ganz versteht: Immerhin hatte sie bei der syrischen Matura in Chemie die volle Punktezahl. Und im Übrigen ist es das Fach, das sie studieren will, falls sie im Juli den Eignungstest für Medizin doch nicht schaffen sollte.

Karam (28): „Soll ich mir einen anderen Job suchen?“

Eigentlich hat sich Karam Alahmad immer eines gewünscht: dort zu arbeiten, wo seine Eltern leben. Anderthalb Jahre lang hat er das in einer Klinik in der syrischen Stadt Deir ez-Zor auch getan. Dann musste er weg. „Ich war gegen Assad“, sagt der 28-Jährige. „Mit Freunden habe ich die Demos dokumentiert.“ Irgendwann habe die Armee ihn gesucht. „Ich musste so schnell wie möglich raus.“ Per Lkw war er 2011 binnen vier Tagen in Wien. „Mein Vater hat dafür mehrere Häuser verkauft.“

Nach einigen Tagen in Traiskirchen und acht Monaten im Burgenland hat er seinen Asylbescheid. Und Zweifel: Das Medizinstudium, das er in Weißrussland absolvierte, anerkennen zu lassen, ist schwieriger als gedacht. 14 Prüfungen muss er – nach einem Test auf Deutsch – nachmachen. „Da habe ich mich schon gefragt, ob ich mir einen anderen Job suchen soll. Oder nach Deutschland gehen, wo die Anerkennung leichter ist. Es ist sehr kompliziert hier.“

Inzwischen hat er 13 Prüfungen an der Med-Uni geschafft – mit nächtelangem Lernen nach AMS-Kursen. Die letzte steht im November an. „Pharmakologie, die schwierigste.“ Wenn er die erledigt hat, will er eine kurze Pause einlegen und seine Eltern besuchen. Die inzwischen in der Türkei leben: Denn in ihrer Stadt regieren jetzt die IS-Terroristen.

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