Die 50-Stunden-Woche der Studenten

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50StundenWoche Studenten(c) AP (Daniel Maurer)
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Studium und Job. Mehr als die Hälfte der Studenten muss arbeiten, um den Lebensunterhalt zu sichern – Tendenz steigend. Die Qualität der Jobs ist dabei meist schlecht.

Wien/J.n./Chs. Was früher die Ausnahme war, ist mittlerweile zur Regel geworden: Der Großteil der heimischen Studierenden arbeitet bereits während der Ausbildung. Der Anteil jener, die sich mit einem Ferialjob begnügen, ist dabei gering – für die meisten gehört die Berufstätigkeit zum fixen Bestandteil ihres Studienalltags.

Was angesichts der Umstellung auf das Bologna-Studiensystem, das zu einem raschen Studienabschluss und einem frühen Eintritt ins Erwerbsleben führen soll, positiv klingt, stellt den Einzelnen jedoch nicht selten vor gravierende Probleme. Denn: Die Vereinbarkeit von Job und Studium ist bis heute meist nicht gegeben. Das belegen aktuelle Studien.

So ist der Anteil jener, die während des gesamten Semesters arbeiten, laut Studierenden-Sozialerhebung des IHS (Institut für Höhere Studien) in den vergangenen vier Jahren von rund 40 auf 45 Prozent gestiegen. Insgesamt stieg die Erwerbsquote um vier Prozentpunkte (Details siehe Grafik). Angewachsen ist aber nicht nur die Zahl der Berufstätigen – sondern auch das Stundenausmaß. Am niedrigsten ist der Anteil an Berufstätigen noch an den Vollzeitstudiengängen der FH, am höchsten ist er an den Kunst-Unis.

Nur „qualitativ niedrige“ Jobs

Die meisten Berufstätigen klagen dabei über fehlende Vereinbarkeit: Mehr als die Hälfte aller Berufstätigen gibt an, dass das Studium unter ihrem Job leidet. Bei den Vollzeiterwerbstätigen sind es mehr als 73 Prozent. Am größten sind die Probleme an den wissenschaftlichen Unis.

Ein weiteres Problem: Nur die wenigsten finden einen Studentenjob, der einen Bezug zu ihrer Ausbildung hat. (48,5 Prozent der Erwerbstätigen gehen gar einer sogenannten „qualitativ niedrigen Beschäftigung“ nach.) Nur die wenigsten erhoffen sich bessere Berufseinstiegschancen für die Zeit nach dem Studium: Drei Viertel der Befragten gaben an, arbeiten zu müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Anteil jener, die das „Interesse am Job“ als entscheidenden Grund für ihre Berufstätigkeit nannten, lag demgegenüber bei nur 47 Prozent. Auf den Berufseinstieg bereiten sich sogar nur 39 Prozent der Studenten vor.

Sozialer Hintergrund entscheidet

Im internationalen Vergleich liegt die Erwerbstätigkeitsquote österreichischer Studierender im Mittelfeld. Das zeigt die „Eurostudent“-Erhebung, die soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Studenten im europäischen Vergleich untersuchte (siehe Grafik). Dass Studenten neben dem Studium einer geregelten Arbeit nachgehen, ist demnach in den meisten europäischen Ländern üblich. Nach internationaler Definition trifft das auf 59 Prozent der heimischen Studenten zu. In der Hälfte der untersuchten Länder arbeiten mehr als 50 Prozent der Studierenden. In den Niederlanden und Estland trifft das sogar auf zwei Drittel der Studierenden zu. Erstaunlich niedrig ist die Erwerbstätigkeitsquote hingegen in Portugal und in der Türkei.

Wie viel gearbeitet wird, hängt stets vom sozialen Hintergrund der Studenten ab. Studenten, deren Eltern einen niedrigeren Schulabschluss haben, arbeiten verhältnismäßig öfter.

Arbeit ist finanziell unumgänglich

Auch im Ausland ist für viele der Job neben dem Studium nicht nur eine Möglichkeit, den Lebensstandard zu erhöhen, sondern unumgänglich. In mehr als der Hälfte der untersuchten Länder macht das eigene Einkommen der Studenten mehr als 40 Prozent ihres gesamten Budgets aus. Bei erwerbstätigen Studenten in Tschechien liegt dieser Anteil sogar bei 90 Prozent. Auch bei berufstätigen Studenten in Spanien und der Slowakei macht das Einkommen mehr als zwei Drittel aus. In Österreich sind es 54 Prozent. In Deutschland ist der Anteil mit 40 Prozent viel geringer.

Auffallend ist, dass ältere Studenten viel häufiger einer Arbeit nachgehen als ihre jüngeren Kollegen. In zwölf Ländern arbeiten mehr als zwei Drittel der über 28-jährigen Studenten.

Neben der ökonomischen Notwendigkeit – die sich mit steigendem Alter unter anderem durch den Wegfall von Beihilfen ergibt – ist das auch auf die generell höhere Zahl der berufsbegleitend Studierenden zurückzuführen.

Auch in anderen Ländern hat ein Großteil der Studentenjobs wenig bis gar nichts mit dem Studium zu tun.

Es geht zumeist nicht darum, Erfahrungen zu sammeln, sondern Geld zu verdienen. Dieser Trend zeichnet sich in allen europäischen Ländern ab. Die Studie belegt eindeutig, dass die Berufstätigkeit stets auf Kosten des Studiums geht. 30 bis 35 Stunden investieren die europäischen Studenten im Durchschnitt wöchentlich in ihr Studium. Rechnet man den Studentenjob hinzu, erreicht das Arbeitspensum der Studenten in nahezu allen Ländern mehr als 50 Stunden pro Woche.

Auf einen Blick

Mehr als die Hälfte der heimischen Studierenden arbeitet neben dem Studium. Im internationalen Vergleich liegt Österreich damit im Mittelfeld. 48,5 Prozent der österreichischen Studenten gehen einer „qualitativ niedrigen“ Beschäftigung nach. 50-Stunden-Wochen sind die Normalität.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2011)

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