Nur jeder Fünfte braucht Uni-Abschluss

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Zu viele Akademiker? Auch künftig wird für 80 Prozent der Stellen eine berufliche Ausbildung ausreichen, besagt eine aktuelle Analyse des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft.

Wien/APA/beba. Alle Jahre wieder – und zuletzt erst vor wenigen Monaten – bescheinigt ein OECD-Bericht Österreich ein zentrales Versäumnis: Mit lediglich 19 Prozent sei die Akademikerquote hierzulande geradezu mickrig. Österreich müsse dringend aufholen. Denn in der Wissensgesellschaft brauche es unbedingt mehr junge Menschen mit akademischen Abschlüssen.

Doch: Braucht es in Zukunft tatsächlich viel mehr Akademiker? Nein, besagt eine aktuelle Analyse des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW).
Die lange Zeit propagierte Vorstellung, dass neue Arbeitsplätze in einer wissensbasierten Volkswirtschaft hauptsächlich auf höherem Qualifikationsniveau geschaffen würden – und eine hochschulische Ausbildung verlangen –, sei „wenig realistisch oder zumindest einseitig“, schreibt IBW-Studienautor Arthur Schneeberger. Tatsächlich nämlich schaffe der berufliche Wandel Jobs auf allen Niveaus der Qualifikationen.

Die Zahl der Arbeitsplätze, für die eine akademische Ausbildung nötig ist, werde mittelfristig um rund 15 Prozent steigen. Trotzdem könne man davon ausgehen, dass insgesamt nur 20 Prozent der Jobs „eine akademische Graduierung als typisches Einstellungserfordernis“ aufweisen werden, schreibt Schneeberger. Auch in Zukunft wird für rund 80 Prozent aller Stellen eine berufliche Ausbildung ausreichen. Also eine Lehre, Fachschule, berufsbildende höhere Schule oder – zu einem kleinen Anteil – sogar die direkte Anlernung im Betrieb.

Pflege: Bedarf steigt am meisten

Schneeberger bezieht sich in der Analyse unter anderem auf Prognosen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Demnach entstehen zwischen den Jahren 2010 und 2016 insgesamt rund 170.000 zusätzliche Stellen für unselbstständig Beschäftigte (plus 5,2 Prozent). Für 52.000 davon braucht es Bewerber mit einer akademischen – oder vergleichbaren – Qualifikation. Das größte Wachstum wird indes aber für Branchen prognostiziert, die nicht akademisch sind: So sind es die Jobs in Pflege- und Krankenpflegeberufen, die in den kommenden Jahren am stärksten steigen werden. Es folgen unter anderem Verkaufskräfte und technische Fachkräfte. Erst auf dem achten Platz finden sich in der Prognose mit den Naturwissenschaftlern die ersten Akademiker, gefolgt von Biowissenschaftlern und Medizinern sowie auf Platz zehn von den Architekten und Ingenieuren.



Mittelfristig, rät Schneeberger, sollten Hochschulabsolventen daher stärker auch abseits der traditionellen Akademikerberufe nach Jobs suchen – teilweise ist das aber ohnehin bereits Realität. So war im Jahr 2011 gut ein Drittel der heimischen Akademiker in Jobs beschäftigt, die eigentlich keine hochschulische Ausbildung verlangen, fünf Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2008 (27 Prozent). Insgesamt werden die Jobchancen der Akademiker vom richtigen Fach und der Mobilitätsbereitschaft abhängen.

Buhlen um frustrierte Studenten

Der Fachkräftemangel wird indes weiterhin ein Problem bleiben, so Schneeberger. Vor allem für die Lehrberufe wird es Rekrutierungsschwierigkeiten geben.
Einen interessanten Weg gehen diesbezüglich übrigens die Handwerkskammern in Deutschland, wo die Lehre – wie hierzulande – ein grobes Imageproblem hat: Sie werben verstärkt um frustrierte Studenten.

Auf einen Blick

Die Akademikerquote in Österreich wird häufig als viel zu niedrig kritisiert. Erst im September bemängelte die OECD in ihrer Studie „Bildung auf einen Blick“, dass Österreich mit 19 Prozent Akademikern international weit hinterherhinke. Zwar steigen die Absolventenzahlen. Auch bei den 25- bis 34-Jährigen sei die Quote mit 21 Prozent aber noch extrem gering. Die aktuelle Analyse des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) besagt nun: Es brauche gar nicht um so viel mehr Akademiker. Neue Jobs würden auf allen Niveaus entstehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2013)

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